31.3.2021: Forschung CH

Der Klimawandel macht der Arve in tieferen Lagen zu schaffen

Le changement climatique donne du fil à retordre à l’arolle à basse altitude



Benjamin Dauphin et al.

Die Arve bildet erst im Alter von 40 bis 60 Jahren reife Zapfen und wird sehr alt. Aufgrund der langen Generationszeit besteht die Gefahr, dass sie sich nicht schnell genug an den fortschreitenden Klimawandel anpassen kann und lokal ausstirbt. Umso wichtiger ist es, dass die Arve über das entsprechende genetische Rüstzeug verfügt. Doch die Arven tiefer Lagen bestehen vor allem aus Genvarianten, die mit einem wärmeren und trockeneren Klima schlecht zurechtkommen.

L’arolle ne forme pas de cônes matures avant l’âge de 40 à 60 ans et il devient très vieux. En raison de la longue durée des générations, le risque existe qu’il ne puisse pas s’adapter assez rapidement au changement climatique en cours et qu’il s’éteigne localement. Il est donc d’autant plus important que l’arolle dispose du matériel génétique approprié. Cependant, les arolles des basses altitudes ont principalement des variations génétiques qui s’en sortent mal avec un climat plus chaud et plus sec.


Einst säumten Arven die Waldgrenze in weiten Teilen der Alpen. Alpwirtschaft, Wildverbiss, Krankheiten sowie die Dezimierung des Tannenhähers liessen ihre Bestände schrumpfen. Grössere zusammenhängende Arvenwälder kommen in der Schweiz nur noch im Engadin und im Wallis vor. Nun kommt noch der Klimawandel hinzu. Wird es weiterhin wärmer und trockner, droht die Arve durch schnellwüchsige Konkurrenten aus tieferen Lagen – Fichten, Tannen, Föhren und Laubbäume – verdrängt zu werden. Denn die Arve wird sehr alt und lässt sich mit der Fortpflanzung Zeit: Erst im Alter von 40 bis 60 Jahren bildet sie reife Zapfen. Es muss daher befürchtet werden, dass die heute keimenden Samen der Altbäume an das vergangene, kühlere und feuchtere Klima angepasst sind, das es gemäss den Klimamodellen so nicht mehr geben wird.
Schweizer Forschende haben nun untersucht, ob die Jungbäume das genetische Rüstzeug für die Zukunft mitbringen, um sich an den Klimawandel anzupassen. Dazu analysierten sie über 3000 Gene bei mehreren Hundert Sämlingen und Altbäumen aus hohen und tiefen Lagen des schweizerischen Verbreitungsgebiets. Es zeigte sich, dass Jungbäume auf hoch gelegenen Standorten sowohl für das aktuelle als auch für das zukünftige Klima angepasst sind. Hingegen fanden die Forschenden bei Jungbäumen in tieferen Lagen mehrheitlich die «falschen» Genvarianten. Die Nachkommen der heute lebenden Bäume wären dort an eine wärmere Zukunft weniger gut angepasst. Sie könnten aufgrund ihrer langen Generationszeit von Klimaveränderungen überrollt werden.
Damit die Arve in höhere Lagen vorstossen kann, braucht sie nebst den passenden Genen auch den Tannenhäher, der Arvensamen als Futterreserve versteckt, viele Samen dann aber vergisst und diese in der Folge keimen können. Ausserdem sind Arven auf genügend Rohhumus angewiesen, der in hohen Lagen jedoch vielerorts noch nicht existiert, weil die Bodenentwicklung ein extrem langwieriger Prozess ist. In Kombination mit weiteren Herausforderungen, z.B. Frasschäden durch Wild, krankheitserregende Pilze und Wintersportler*innen, könnte die Arve mancherorts in Bedrängnis geraten. Den Forschenden zufolge ist die Art als solche nicht gefährdet, aber die Bestände werden weiter abnehmen und zunehmend fragmentiert sein. Das erschwert den genetischen Austausch zwischen einzelnen Beständen. Lokal könnte die Arve in einzelnen Alpentälern aussterben. Und weil sie zusammen mit der Lärche das typische Waldökosystem an der oberen Baumgrenze prägt, würde eine ganze Lebensgemeinschaft in Schieflage geraten. Nebst dem Tannenhäher beträfe dies eine Vielzahl von Pilzen, Flechten und Insekten, die in Arvenwäldern heimisch sind.
Quelle: WSL


Keywords:
Arve, Klimawandel, Anpassung, genetische Vielfalt

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
Dauphin, B., Rellstab, C., Schmid, M., Zoller, S., Karger, D. N., Brodbeck, S., ... & Gugerli, F. (2020). Genomic vulnerability to rapid climate warming in a tree species with a long generation time. Global Change Biology.


Link zur Studie (open access):

Kontaktadresse:
Dr. Benjamin Dauphin
Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL
Zürcherstrasse 111
CH-8903 Birmensdorf

benjamin.dauphin@wsl.ch
Tel: +41 (0)44 739 26 56


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