6.11.2020: weitere Publikationen

Wasserkraft: Das Sterberisiko für Fische an Turbinen bewerten

Énergie hydraulique : évaluer le risque de mortalité des poissons dans les turbines



Christian Wolter et al.

Die Passage von Wasserkraft-Turbinen kann für Fische tödlich enden. Bei mehreren Wasserkraftanlagen im Flussabschnitt droht der Totalverlust bestimmter Arten. Forschende aus Deutschland haben nun ein Verfahren für die Bewertung der Fischsterblichkeit an Wasserkraftanlagen entwickelt. Die Resultate zeigen, dass vor allem kleine Wasserkraftanlagen ökologisch problematisch sind – und oft unrentabel wirtschaften würden, wenn sie mit dem notwendigen Fischschutz ausgerüstet werden.

Le passage de turbines d’installations hydroélectriques peut entraîner la mort des poissons. S’il y a plusieurs centrales hydroélectriques le long d’un tronçon de rivière, il y a un risque de perte totale de certaines espèces. Des chercheurs d’Allemagne ont désormais développé une méthode pour évaluer la mortalité des poissons dans les installations hydroélectriques. Les résultats montrent qu’en particulier les petites centrales hydroélectriques posent des problèmes écologiques, et qu’elles seraient souvent non rentables si elles étaient équipées des mesures de protection nécessaires pour les poissons.


Wasserkraft ist zwar eine erneuerbare Energiequelle, aber nicht unbedingt umweltfreundlich: Die Anlagen haben starke bau- und betriebsbedingte Auswirkungen auf die Fluss-Ökosysteme, in denen sie errichtet werden. Insbesondere die hohe turbinenbedingte Sterblichkeit von Fischen stellt in Planungs- und Genehmigungsverfahren ein Konfliktfeld dar. Denn bislang gab es keine standardisierten objektiven Bewertungsansätze der Mortalitätsrisiken.
Ein deutsches Forschungsteam hat nun einen Bewertungsindex zum Sterberisiko von Fischen an Wasserkraftanlagen entwickelt. Sie berücksichtigten alle im Süsswasser vorkommenden, in Deutschland einheimischen Fisch- und Neunaugenarten. Die wissenschaftliche Bewertungsgrundlage und Arbeitshilfe können die Praxis in konkreten Planungen und Prüfungen unterstützen und die Rechtssicherheit von Verfahren erhöhen.
Die Forschenden definierten für ihr Bewertungsverfahren für alle Arten auch das allgemeine Sterberisiko – ohne Wasserkraft. Der Mortalitätsgefährdungsindex (MGI) berücksichtigt populationsbiologische Faktoren (wie die Fortpflanzung und die Populationsentwicklung) und naturschutzfachliche Faktoren (wie die Seltenheit und den Erhaltungszustand). Die Forschenden stellten zudem die verschiedenen Technologien und Massnahmen zur Vermeidung und Minderung von Sterblichkeit und Barrierewirkungen der Anlagen zusammen und bewerteten diese. Ihr Fazit: Ein vermindertes Tötungsrisiko ist an Wasserkraftanlagen tatsächlich nur dann möglich, wenn ein effektiver Fischschutz installiert ist. Dazu gehören beispielsweise mechanische Fischabweiser und ausreichend angelegte Fischaufstiegs- und Fischabstiegshilfen, deren Funktionalität zudem auch laufend geprüft und sichergestellt werden muss.
Die rund 7000 Wasserkraftanlagen in Deutschland mit einer installierten Leistung von weniger als einem Megawatt produzieren nur etwa 14 Prozent des Gesamtstroms aus Wasserkraft (zum Vergleich: In der Schweiz machen Kleinwasserkraftwerke mit einer Leistung von <10 MW nur etwa 10% der Stromproduktion aus Wasser aus). Ihr Beitrag zur Energiewende ist damit marginal, die von ihr verursachten Schäden in Gewässerökosystemen und an den Fischbeständen aber vergleichsweise hoch. Dass die Wasserkraft trotzdem durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz gefördert wird, ist ein grundsätzliches Problem, welches auch der Umsetzung anderer Richtlinien entgegensteht, wie beispielsweise der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie oder der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie. Zumindest müsste das Gesetz so novelliert werden, dass Wasserkraftanlagen, die keinen umfassenden Fischschutz gewähren, nicht mehr förderfähig sind, so die Forschenden.

Quelle: Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)

Keywords:
Fische, Fischaufstiegshilfen, Fischabstiegshilfen, Wasserkraft, erneuerbare Energien

Art der Publikation:
Bericht

Literatur:
Wolter C., Bernotat D., Gessner J., Brüning A., Lackemann J., Radinger J. (2020): Fachplanerische Bewertung der Mortalität von Fischen an Wasserkraftanlagen. Bonn (Bundesamt für Naturschutz). BfN-Skripten 561, 213 S.

PDF-Link

Kontaktadresse:
Dr. Christian Wolter
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)
Müggelseedamm 310
D-12587 Berlin
wolter@igb-berlin.de


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