6.11.2020: Forschung international

Klimawandel bedroht insektenfressende Brutvögel

Le changement climatique menace les oiseaux nicheurs insectivores



Ryan Shipley et al.

Das Überleben auf einem sich erwärmenden Planeten kann eine Frage des richtigen Timings sein. Doch das eigene Verhalten einfach zu verschieben, um sich an das Tempo des Klimawandels anzupassen, birgt für einige Tiere Gefahren. Insektenfressende Vögel riskieren beispielsweise den Hungertod, wenn sie wegen der Erderwärmung früher anfangen zu brüten.

La survie peut être une question de bon timing sur une planète qui se réchauffe. Cependant, juste différer son propre comportement pour s’adapter au rythme du changement climatique peut entraîner un risque pour certains animaux. Par exemple, les oiseaux insectivores risquent de mourir de faim s’ils commencent leur reproduction plus tôt en raison du réchauffement climatique.


Können sich Vogelarten an den Klimawandel anpassen und mit ihm Schritt halten? Insbesondere die zeitliche Abfolge von Ereignissen wie Brüten und Zugverhalten und die Anpassung dieser Ereignisse an steigende Temperaturen und frühere Frühlingseinbrüche spielen dafür eine wichtige Rolle.
Um diese Frage zu beantworten, haben Forschenden jahrzehntelang Daten zu Wetter, Nahrungsverfügbarkeit und Brutverhalten von nordamerikanischen Sumpfschwalben (Tachycineta bicolor) untersucht. Den Resultaten zufolge haben die Sumpfschwalben die Brutzeit alle zehn Jahre um drei Tage früher begonnen. Die Forschenden haben auch festgestellt, dass die Vögel bei früherer Brutzeit häufiger ungünstigen Wetterereignissen ausgesetzt sind, da diese früher im Jahr öfter auftreten. Dies hat wiederum zur Folge, dass den Vögeln weniger Insekten als Nahrung zur Verfügung stehen. Für Vögel, die sich von Fluginsekten ernähren, wird an einem Tag geschlemmt, am nächsten gehungert. Vogeleltern vertrauen also in einem ungewöhnlich warmen Frühling darauf, dass die Bedingungen für eine frühere Eiablage auf ähnlich gute Bedingungen für die Aufzucht der Jungtiere in der Zukunft hindeuten.
Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Kalkulation aufgeht, ist früh im Jahr geringer als später. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass Tiere, die auf Nahrung angewiesen sind, deren Häufigkeit sich wetterbedingt schnell ändern kann, durch den Klimawandel ganz besonders gefährdet sein könnten. Die Studie könnte auch Hinweise darauf liefern, warum die Zahl der Fluginsekten-fressenden Vögel wie Schwalben, Mauersegler, Fliegenschnäpper und Ziegenmelker in weiten Teilen Nordamerikas und Europas schneller zurückgeht als die Zahl anderer Vogelgruppen. Die Ergebnisse decken eine bisher unbekannte Bedrohung für Fluginsekten-fressende Vögel auf. Der weit verbreitete Rückgang der Insektenpopulationen könnte diese Arten besonders hart treffen. Aber es gibt darüber hinaus noch eine Veränderung, die gar keine Veränderung des Insektenreichtums erfordert – nur eine Änderung der Verfügbarkeit über eine kurze Zeit.

Quelle: Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.

Keywords:
Vögel, Klimawandel, Insektensterben

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
Shipley J.R. et al. (2020): Birds advancing lay dates with warming springs face greater risk of chick mortality. Proceedings of the National Academy of Sciences, 28. September 2020. DOI: 10.1073/pnas.2009864117

Link zum Artikel (open access)

Kontaktadresse:
Ryan Shipley
Abteilung für Tierwanderungen
Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie
D-78315 Radolfzell am Bodensee
rshipley@ab.mpg.de


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