27.8.2020: Forschung international
Rückgang der Artenvielfalt durch Lebensraumverluste wird unterschätzt
Recul sous-estimé de la diversité des espèces dû aux pertes d’habitats
Jonathan M. Chase et al.
Um das Aussterben von Tieren und Pflanzen zu verringern, müssen deren Lebensräume geschützt, saniert und wiederhergestellt werden. Doch wie gross ist der Flächenbedarf, um möglichst viele Arten zu erhalten und zu fördern? Bisherige Massnahmen stützen sich oft auf Vorhersagen durch ein einfaches theoretisches Modell, das beschreibt, wie sich die Artenzahl im Verhältnis zum vorhandenen Lebensraum verändert. Eine neue Studie zeigt nun, dass dieses Standard-Modell unterschätzt, wie viele Arten tatsächlich auf lokaler Ebene aussterben.
Pour réduire l’extinction d’animaux et de plantes, les habitats doivent être protégés, réhabilités et restaurés. Mais de combien de surfaces a-t-on besoin pour conserver et favoriser le plus d’espèces possible ? Les mesures prises jusqu’à présent s’appuient souvent sur des prédictions basées sur des modèles théoriques simples qui décrivent comment le nombre d’espèces évolue par rapport à l’habitat existant. Une nouvelle étude montre désormais que ce modèle standard sous-estime le nombre d’espèces subissant une réelle extinction au niveau local.
Eine der grundlegenden Theorien im Bereich der Biodiversitätsforschung beschreibt, dass sich die Zahl der Arten in einem Lebensraum mit zunehmender Fläche erhöht – und dass sie zurückgeht, wenn Lebensräume zerstört werden. Mit Hilfe dieser Theorie können Ökologen vorhersagen, wie viele Arten aussterben werden, wenn der Mensch ihren natürlichen Lebensraum zerstört, und wie viele durch entsprechende Schutzmassnahmen geschützt werden können. Doch die Anwendung der Theorie für Vorhersagen zur Biodiversität ist mit Fehlern behaftet.
Mithilfe statistischer Methoden und Datensätzen aus 123 Studien zu isolierten Lebensräumen auf der ganzen Welt konnten Forschende nun einen Weg aufzeigen, wie realistischere Modelle zur Vorhersage der Biodiversität entwickelt werden können. So fanden sie heraus, dass sich die ökologischen Prozesse umso stärker verändern, je kleiner und isolierter die Habitatinseln sind. Dies führt dazu, dass mehr Arten verloren gehen als das theoretische Modell der Arten-Areal-Beziehung vorhersagt.
Die Forschenden brachten Jahre damit zu, die Daten aus bereits veröffentlichten Studien zum Verlust von Lebensräumen auf der ganzen Welt zusammenzutragen. Dazu zählten Inseln von Resten tropischen Regenwaldes inmitten landwirtschaftlich genutzter Flächen zum Anbau von Ölpalmen, Kaffee, Schokolade und Bananenstauden, aber auch echte Inseln innerhalb von Seen, die durch das Anlegen von Staudämmen zur Gewinnung von Strom aus Wasserkraft entstanden waren. Weitere Untersuchungsgebiete waren isolierte Naturschutzgebiete innerhalb sich ausdehnender landwirtschaftlicher und städtischer Gebiete auf der ganzen Welt. Die Studien befassten sich sowohl mit Pflanzen als auch mit einer Vielzahl von Tieren, einschliesslich Vögeln, Fledermäusen, Fröschen und Insekten.
Während die generellen Auswirkungen der Lebensraumdegeneration in den Habitatinseln eindeutig waren, fanden die Wissenschaftler auch einige interessante Variationen in ihren Datensätzen, wie die beiden folgenden Beispiele zeigen:
Die Qualität der Flächen zwischen den Habitatinseln, die Matrix, hatte einen Einfluss auf die Artenvielfalt. Wenn die Matrix sich stark von den Habitatinseln unterschied, wie bei Landschaften mit intensiver Nutzung oder städtischen Gebieten, war die Artenvielfalt deutlich tiefer. Wenn die Matrix aber biodiversitätsfreundlich genutzt wurde, war der lokale Artenverlust geringer.
In älteren Habitatinseln war der Effekt der Lebensraumdegeneration auf die Artenvielfallt schwächer. Hervorgerufen wird dies allerdings durch Arten, die gar nicht typisch für den Lebensraum sind und infolge der Lebensraumdegradation eingewandert sind.
Quelle: Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv)
Keywords:
Lebensraumverlust, Arten-Areal-Beziehung, Lebensrauminseln, Fragmentierung, Landwirtschaft
Art der Publikation:
Fachpublikation
Literatur:
Chase J.M. et al. (2020): Ecosystem decay exacerbates biodiversity loss with habitat loss. Nature. DOI: 10.1038/s41586-020-2531-2
Link zur Studie
Kontaktadresse:
Prof. Dr. Jonathan Chase
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv)
D-04103 Leipzig
jonathan.chase@idiv.de
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