27.8.2020: Forschung international

Vielfalt sorgt für Stabilität in Gewässerökosystemen

La diversité assure la stabilité des écosystèmes aquatiques



Thijs Frenken et al.

Massen von Blaualgen sind schlecht für die Wasserqualität, da sie dem Gewässer Sauerstoff entziehen und Giftstoffe bilden können. Cyanobakterien können selbst erkranken und werden beispielsweise durch Pilzparasiten in Schach gehalten. Ein Pilzbefall tötet die Cyanobakterien nicht nur ab, sondern macht sie auch leichter verdaulich für ihre natürlichen Fressfeinde. Die Pilzparasiten wiederum sind eine wertvolle Nahrung für andere Kleinstlebewesen. Dieses Beispiel zeigt eindrücklich, dass erst das Zusammenspiel einer möglichst intakten biologischen Vielfalt Nahrungsnetze strukturiert und Ökosysteme stabilisiert.

Les masses d’algues bleues sont mauvaises pour la qualité de l’eau car elles peuvent priver l’eau d’oxygène et former des substances toxiques. Des cyanobactéries peuvent elles-mêmes tomber malades et être tenues en échec par exemple par des champignons parasites. Une attaque fongique ne tue pas seulement les cyanobactéries. Elle les rend aussi plus facile à digérer par leurs prédateurs naturels. Les champignons parasites représentent à leur tour une nourriture précieuse pour les microorganismes. Cet exemple montre clairement que seule les interactions d’une diversité biologique pratiquement intacte structure les réseaux trophiques et stabilise les écosystèmes.


Wenn im Sommer der See von grünen Schlieren durchzogen ist, sind häufig Blaualgen im Spiel, sogenannte Cyanobakterien. Blaualgenblüten sind weltweit ein zunehmendes Problem in Gewässern: Steigende Temperaturen und Nährstoffbelastungen führen zu einem übermässigen Wachstum von Cyanobakterien. Diese Massenentwicklungen beeinträchtigen die Wasserqualität, weil einige Cyanobakterienarten Giftstoffe bilden und die Sauerstoffkonzentration im Wasser verringern. Dies kann nicht nur zum Tod von Fischen und anderen Wasserorganismen führen; im Sommer 2020 mussten beispielsweise am Neuenburgersee aufgrund der hohen Giftkonzentration ganze Strandabschnitte trotz bestem Badewetter geschlossen werden.
Dass das Blaualgenwachstum durch einen Parasitenbefall natürlicherweise reguliert werden kann, war bekannt, aber wie das geschieht und wie sich das auf das Nahrungsnetz eines Sees auswirkt, war weitgehend unbekannt. Viele Blaualgenarten sind lang und fadenförmig oder wachsen in Kolonien, was es ihren natürlichen Fressfeinden erschwert, sie zu fressen. Sogenannte Chytridpilze, eine sehr häufige Pilzgruppe, infizieren Cyanobakterien. Forschende konnten nun in Laborexperimenten aufzeigen, dass die Pilze Cyanobakterien nicht nur abtöten, sondern diese auch in kürzere Stücke zerteilen, sodass sie von kleinen Lebewesen im Wasser leichter gefressen werden können.
Die Forschenden zeigten ausserdem, dass die parasitären Pilze selbst eine wertvolle Nahrungsergänzung für die Kleinstlebewesen im Gewässer sind. Chytridpilze enthalten verschiedene Fette und Öle, die ein wichtiger Bestandteil der Nahrung des Zooplanktons im Süsswasser sind. Parasitäre Pilze dienen daher als wichtige ernährungsphysiologische Verbindung zwischen verschiedenen Ebenen der aquatischen Nahrungsnetze.
Parasiten können also positive Wirkungen für aquatische Ökosysteme haben. Die Studie liefert ein weiteres Beispiel dafür, dass die Vielfalt an Organismen und deren Zusammenspiel funktionierende Ökosysteme ausmacht und unter Umständen nicht nur die für uns lebensnotwendige Wasserqualität beeinflusst, sondern sogar unser Badevergnügen.

Quelle: Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)

Keywords:
Parasiten, Nahrungsnetz, Stabilität, Cyanobakterien, Pilze

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
Frenken T. et al. (2020): Infection of filamentous phytoplankton by fungal parasites enhance herbivory in pelagic food webs. Limnology and Oceanography. DOI:10.1002/lno.11474
https://aslopubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/lno.11474

Kontaktadresse:
Dr. Ramsy Agha
Abteilung Ökosystemforschung
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)
Müggelseedamm 310
D-12587 Berlin
agha@igb-berlin.de
Tel: +49 (0)30 64181 687


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