23.2.2005: Forschung CH
Ökologische Ausgleichsflächen: Profitieren Vogelarten des Kulturlands?
Kohli L., Spiess M., Herzog F., Birrer S.
Wissenschaftler haben die Auswirkungen der ökologischen Ausgleichsflächen auf 37 typische Vogelarten des Kulturlands untersucht. Ökologische Ausgleichsflächen leisten zwar einen Beitrag zur Förderung der lokalen Artenvielfalt, haben aber bisher auf nationalem Niveau nur einen geringen Einfluss auf die Bestandsentwicklung der Kulturlandvögel. Viele bedrohte Arten nehmen weiterhin ab und drohen langfristig zu verschwinden. Fallbeispiele zeigen jedoch, dass die Vogelbestände bei einem genügenden Angebot an qualitativ hochwertigen Ökoflächen rasch zunehmen.
Im Rahmen einer Studie haben wir die Auswirkungen der ökologischen Ausgleichsflächen gemäss Direktzahlungsverordnung auf 37 typische Kulturlandvogelarten und ihre Lebensräume untersucht. Die Untersuchungen fanden auf drei Ebenen statt: nationaler Bestandestrend, Bestandesentwicklung im Mittelland und in einzelnen Gebieten. Aus den Resultaten schliessen wir, dass das Potenzial der ökologischen Ausgleichsflächen zur Förderung der Artenvielfalt zurzeit bei weitem nicht ausgeschöpft ist. Weitreichende Massnahmen zur Verbesserung der Qualität der ökologischen Ausgleichsflächen sollten deshalb angegangen werden. Um die Wiederausbreitung bedrohter Arten zu ermöglichen und Artenverluste zu verhindern, müssen Bund, Kantone und Gemeinden – aber auch private Naturschutz- und Landwirtschaftsorganisationen – zusätzlich zu den ökologischen Ausgleichsflächen weitere Massnahmen umsetzen.
Bestandestrend in der Schweiz und im Mittelland
Landesweit ist bei den typischen Vogelarten des Kulturlands im Zeitraum von 1990 bis 2003 kein allgemeingültiger Bestandestrend festzustellen. Zehn Arten nahmen signifikant ab, acht nahmen signifikant zu. Sowohl unter den zu- als auch unter den abnehmenden Arten befanden sich bedrohte Arten. Auf nationalem Niveau hat der ökologische Ausgleich somit bisher nicht zu einem Anstieg der Artenvielfalt geführt.
In den 23 Untersuchungsgebieten im Mittelland fehlten seltene Arten fast vollständig. Ausserdem war die Artenzahl pro Gebiet gering. 17 Arten wurden in weniger als der Hälfte aller potenziell möglichen Gebiete festgestellt, sieben Arten besiedelten keines der Untersuchungsgebiete. Die Revierdichten der typischen Kulturlandvögel waren gering: Nur vier Arten erreichten Durchschnittswerte von mehr als 1 Paar/km2. Sowohl bei der Artenzahl als auch bei der Revierdichte wurden keine grossen Veränderungen zwischen 1998/99 und 2002/03 festgestellt. Tendenziell haben sich die häufigen Arten auf tiefem Niveau eher positiv entwickelt.
Naturnahe Landschaftselemente und ökologische Ausgleichsflächen
Acht der 23 Gebiete waren ökologisch weitgehend verarmt und wiesen weniger als 5% naturnahe Landschaftselemente auf. Strukturreiche Gebiete mit mehr als 15% naturnahen Landschaftselementen fehlten. Bei gut einem Drittel der naturnahen Landschaftselemente handelte es sich um Hochstamm-Obstbäume, bei etwa einem Sechstel um Blumenwiesen. Zwischen der ersten und der zweiten Erhebung nahmen Wildkrautfluren, Blumenwiesen und Saumflächen zu, Hochstamm-Obstgärten hingegen ab. Ein grosser Teil der naturnahen Landschaftselemente war von ungenügender Qualität (Fehlen von dornentragenden Sträuchern, zu schmale Krautsäume). Blumenwiesen, Wildkrautfluren und Feuchtgebiete waren in den meisten Fällen für die Bedürfnisse der typischen Kulturlandvögel zu klein. Nur ein Teil der naturnahen Landschaftselemente war auch als ökologische Ausgleichsflächen angemeldet.
Die ökologischen Ausgleichsflächen machten 1998/99 durchschnittlich 7,1% der Feldfläche aus, in den Jahren 2002/03 lag der Wert bei 8,1%. In den Ackerbaugebieten war ihr Anteil mit 5,2% signifikant kleiner als in den Futterbaugebieten mit 8,9%, wo wenig intensiv genutzte Wiesen und Hochstamm-Feldobstbäume häufiger angemeldet wurden. Die floristische Qualität war bei 79% der Öko-Wiesen ungenügend. Auch die Struktur der Wiesenbestände war nur selten vielfältig (18%). Nur in 13% der Öko-Wiesen hatte es Lücken im Bestand, die als Brutplatz für typische Kulturlandvögel dienen könnten und ihnen die Nahrungssuche erleichtern. Hochstamm-Obstgärten waren meist kleinräumig, und bei 90% wurden die Wiesen unter den Bäumen intensiv genutzt. Knapp die Hälfte der angemeldeten Hecken erfüllten die Mindestanforderungen der Öko-Qualitätsverordnung; bei den nicht angemeldeten Hecken war es nur ein Drittel.
Das vom BLW angestrebte Ziel, dass ökologische Ausgleichsflächen bis 2005 im Talgebiet 65'000 ha oder 10% der landwirtschaftlichen Nutzfläche ausmachen, wird nur knapp verfehlt (Roux & Schüpbach in Vorb.). Im Landschaftskonzept Schweiz werden als Ziel jedoch 65'000 ha «hochwertige» ökologische Ausgleichsflächen angegeben, die «in absehbarer Zeit» erreicht werden sollen. Von diesem Qualitätsziel ist man noch weit entfernt, denn der Anteil ökologischer Ausgleichsflächen mit Qualität machte in den Jahren 1998/99 in unseren Untersuchungsflächen durchschnittlich erst 2% der Feldfläche aus. Bei der Qualität besteht folglich ein grosser Handlungsbedarf.
Ökologische Ausgleichsflächen und Vögel
Der wichtigste Grund für die geringe Artenzahl pro Untersuchungsgebiet und die geringen Revierdichten der typischen Kulturlandvögel liegt bei der ungenügenden Qualität der naturnahen Landschaftselemente und der ökologischen Ausgleichsflächen. Obstgarten-, Hecken- und Landschafts-Indikatorarten können von den Ökoflächen profitieren. Grosse ökologische Ausgleichsflächen mit guter Qualität, die nicht an überbaute Flächen grenzen, wurden signifikant häufiger besiedelt als entsprechende nicht angemeldete naturnahe Landschaftselemente. Reviere der Hecken-Indikatoren liegen häufiger in angemeldeten Hecken als in nicht angemeldeten. Der Gartenrotschwanz profitiert von Ökoflächen in der Umgebung der Obstgärten. Die Dichte der Landschafts-Indikatoren nimmt mit steigendem Anteil Ökoflächen an der Feldfläche zu.
Stark aufgewertete Gebiete zeigen, dass ökologische Ausgleichsflächen von guter Qualität in kurzer Zeit positive Bestandsentwicklungen bei Brutvögeln auslösen können.
Keywords:
Vögel, ökologische Ausgleichsflächen, Landwirtschaft, Direktzahlungsverordnung
Art der Publikation:
Bericht
Literatur:
Kohli L., Spiess M., Herzog F., Birrer S. (2004): Auswirkungen ökologischer Ausgleichsflächen auf typische Kulturlandvögel und ihre Lebensräume. Forschungsbericht, Schweizerische Vogelwarte, Sempach. 84 S.
http://www.vogelwarte.ch
Kontaktadresse:
Simon Birrer, Schweizerische Vogelwarte, CH-6204 Sempach
simon.birrer@vogelwarte.ch
Tel: +41 (0)41 462 97 00
Fax: +41 (0)41 462 97 10
Zurück zur Liste