7.4.2020: Forschung CH
Abnahme einer spezialisierten Käferart in der Region Basel
Raréfaction d’une espèce de coléoptère spécialisée dans la région de Bâle
Bruno Baur, Armin Coray, Heiner Lenzin und Denes Schmera
Seit zwei Jahren beunruhigen Meldungen über den weltweiten Rückgang der Insekten. Ein weiteres Puzzleteil kommt aus der Region Basel: Im Rahmen einer Langzeitstudie zeigt sich, dass die jährlich erhobenen Bestandesgrössen des Erdbockkäfers an 13 verschiedenen Standorten in den vergangenen 20 Jahren um 90 Prozent abgenommen haben. An einem Standort ist der Käfer sogar ausgestorben. Der hochspezialisierte Erdbockkäfer gilt als ausgezeichnete Zeigerart für die Insektenvielfalt in trockenwarmen Wiesen und Weiden. Sein Schwinden ist ein deutliches Warnsignal, dass sich die Qualität seines Lebensraums negativ verändert hat.
Depuis deux ans, les annonces sur le déclin des insectes dans le monde sont préoccupantes. La région de Bâle apporte une autre pièce au puzzle : une étude à long terme montre que la taille de la population de dorcadion fuligineux, relevée chaque année sur 13 sites différents, a diminué de 90 pour cent au cours des 20 dernières années. Le coléoptère a même disparu de l’un des sites. Ce longicorne très spécialisé représente un excellent indicateur de la diversité des insectes dans les prairies et pâturages secs et chauds. Sa disparition est un signe d’alarme clair que la qualité de son habitat s’est détériorée.
Insekten erbringen unersetzliche Dienstleistungen für den Menschen. Sie bestäuben Nutzpflanzen, spielen eine wichtige Rolle in der Schädlingskontrolle, tragen zur Auflockerung und Durchlüftung des Bodens bei und beteiligen sich am Abbau des toten Pflanzenmaterials und an der Humusbildung. Eine Abnahme der Insekten weist auf massive Beeinträchtigungen der Umwelt hin und ist daher beunruhigend.
Forschende dokumentieren seit Jahren überall auf der Erde Bestandsrückgänge bei den Insekten. So auch in der Nordwestschweiz: Forscher der Universität Basel erfassten jedes Jahr zwischen 1999 und 2018 die Populationsgrössen des Erdbockkäfers (Iberodorcadion fuliginator) an 13 Standorten, die in den Kantonen Basel-Stadt und Basel-Landschaft sowie im angrenzenden Elsass und Marktgräfler Hügelland liegen. Der flugunfähige, ca. 12 bis 18 Millimeter grosse Erdbockkäfer hat einen zweijährigen Entwicklungszyklus; ausgewachsene Käfer sind nur während eines Monats im Frühling zu sehen. Während dieser Zeit paaren sich Weibchen und Männchen. Die Weibchen legen die Eier einzeln in Grashalme ab, aus denen später Larven schlüpfen, die sich ausschliesslich von Graswurzeln ernähren.
Die Analyse der Langzeitdaten zeigt ein erschreckendes Bild: Der Gesamtbestand der Erdbockkäfer hat in den vergangenen 20 Jahren um 90 Prozent abgenommen. Werden die 13 Standorte separat betrachtet, dann ist die Käferart an einem Standort ausgestorben, an fünf Orten ist die jeweilige Population «kritisch abnehmend», an vier Orten «abnehmend» und nur an drei Standorten kann die Population als stabil betrachtet werden.
Für den Rückgang dieser spezialisierten Insektenart konnten verschiedene Ursachen nachgewiesen werden. Die während der Langzeitstudie durchgeführten Aufnahmen der Pflanzenvielfalt zeigen, dass sich die Zusammensetzung der Pflanzenarten im Lebensraum der Käfer verändert hat. Fast an allen Standorten wurden die Gräser seltener, welche die eigentliche Lebensgrundlage der Käfer darstellen. Intensivierte Landnutzung mit viel Düngereintrag in den angrenzenden Flächen sowie der regelmässige Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bei den benachbarten Niederstamm-Obstkulturen dürften die Hauptursachen für die Abnahme der Käfer an einigen Standorten sein.
Der Erdbockkäfer gilt als Paradebeispiel für die Bedrohungen, denen spezialisierte Insektenarten in der von Menschen genutzten und umgestalteten Landschaft ausgesetzt sind. Die meisten dieser eher versteckt lebenden Tiere werden kaum wahrgenommen. So fällt ihr Verschwinden auch nicht auf. Fragen werden erst gestellt, wenn das Ökosystem nicht mehr richtig funktioniert.
Quelle: Universität Basel
Keywords:
Biodiversität, Spezialist, Insektensterben, intensivierte Landnutzung
Art der Publikation:
Fachpublikation
Literatur:
Baur B., Coray A., Lenzin H., Schmera D. (2020): Factors contributing to the decline of an endangered flightless longhorn beetle: A 20-year study. Insect Conservation and Diversity 13: 175186. doi.org/10.1111/icad.12402
HINWEIS: Die Ausgabe 13(2) von Insect Conservation and Diversity (März 2020) enthält 10 Artikel über die Abnahme der Insekten.
http://www.conservation.unibas.ch
PDF hier verfügbar
Kontaktadresse:
Bruno Baur, Institut für Natur-, Landschafts- und Umweltschutz, Universität Basel, St. Johanns-Vorstadt 10, CH-4056 Basel
bruno.baur@unibas.ch
Tel: +41 (0)61 207 08 29
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