18.2.2020: Forschung international

Bevölkerungsentwicklung und Rückgang der Artenvielfalt: Zusammenhang komplexer als bislang bekannt

Développement de la population humaine et déclin de la biodiversité: relation plus complexe qu’avéré



Marion Mehring et al.

In der wissenschaftlichen und politischen Diskussion um die Ursachen des Artensterbens wird immer wieder das rasante Bevölkerungswachstum als wichtigster indirekter Treiber genannt. Doch demografische Prozesse wie Bevölkerungswachstum führen nicht zwangsläufig zu negativen Folgen für die Biodiversität.

Dans le débat scientifique et politique sur les causes de l’extinction des espèces, la croissance démographique rapide est souvent citée comme le principal facteur indirect. Cependant, les processus démographiques comme la croissance de la population n’ont pas nécessairement des conséquences négatives sur la biodiversité.


Im Jahr 2050 werden laut der UNO fast 10 Milliarden Menschen auf der Erde leben. Der Bevölkerungsanstieg von jährlich rund 80 Millionen Menschen hat Konsequenzen – auch für die Biodiversität. Ob und wie stark es zum Verlust von Biodiversität kommt, ergibt sich aber nicht zwangsläufig aus der wachsenden Anzahl an Menschen, wie dies im Millennium Ecosystem Assessment der UN aus dem Jahr 2005 noch angenommen wurde. Forschende konnten nun zeigen, dass der entscheidende Faktor im Zusammenhang zwischen Bevölkerung und Biodiversität nicht die Anzahl Menschen ist, sondern in welcher Weise die Menschen die Ökosysteme beeinflussen.
Dazu haben sie die Ergebnisse aus 148 Publikationen der letzten 30 Jahre zum Zusammenhang von Biodiversität und Bevölkerungsentwicklung ausgewertet. Demnach ist die Annahme, dass demografische Prozesse häufig negative Auswirkungen auf die Biodiversität haben können, zwar richtig. Aber nicht immer führt ein Bevölkerungswachstum automatisch zum Verlust an Artenvielfalt. Unter bestimmten Bedingungen kann sogar das Gegenteil der Fall sein.
Aus Sicht der Autorinnen und Autoren lässt die vorhandene Wissensbasis den Schluss zu, dass der Zusammenhang von Bevölkerung und dem Verlust der Biodiversität detailreicher ist, als bislang im wissenschaftlichen und politischen Diskurs berücksichtigt – und komplexer, als in der öffentlichen Wahrnehmung bekannt. Sie weisen auf Forschungslücken hin und empfehlen für deren Beantwortung einen sozial-ökologischen Forschungsansatz, der sich konkreter auf die Beziehung zwischen Biodiversität und Bevölkerung richtet. So ist bisher noch zu wenig bekannt über die Rolle einzelner Faktoren des demografischen Wandels wie Bevölkerungsschrumpfung, Migration, Alterung oder Gender.

Quelle: ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung

Keywords:
Bevölkerungswachstum, Ursache des Biodiversitätsverlusts, Politik, Landnutzung, Geisteswissenschaften

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
Mehring M. et al. (2019): A systematic review of biodiversity and demographic change: A misinterpreted relationship? In: AMBIO: A Journal of the Human Environment. DOI: 10.1007%2Fs13280-019-01276-w


https://link.springer.com/article/10.1007%2Fs13280-019-01276-w

Kontaktadresse:
Dr. Marion Mehring, Biodiversität und Bevölkerung, Forschungsschwerpunktleiterin, ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung, Hamburger Allee 45, D-60486 Frankfurt am Main
mehring@isoe.de
Tel: +49 (0)69 7076919 39


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