18.12.2019: weitere Publikationen

Biotope von nationaler Bedeutung – pflege- und sanierungsbedürftig

Biotopes d’importance nationale: entretien et remise en état nécessaires



Ariel Bergamini, Christian Ginzler, Benedikt R. Schmidt et al.

Im Rahmen der Wirkungskontrolle Biotopschutz Schweiz werden seit 2012 Veränderungen in den Biotopen von nationaler Bedeutung erfasst. Die ersten Resultate zeigen beunruhigende Tendenzen: In den letzten 20 Jahren hat sich die Lebensraumqualität verschlechtert, geltendes Recht wird nicht eingehalten.

Dans le cadre du suivi des effets de la protection des biotopes en Suisse, les modifications des biotopes d’importance nationale sont répertoriées depuis 2012. Les premiers résultats montrent une tendance inquiétante: la qualité des milieux s’est détériorée ces 20 dernières années, et la législation en vigueur n’est pas respectée.


(GK) Die Biotope von nationaler Bedeutung bedecken 2,17% der Landesfläche und bewahren die wertvollsten Reste von Lebensräumen, die für die Schweiz typisch und charakteristisch sind und in den vergangenen Jahrhunderten grosse Verluste erlitten haben. Doch entwickeln sich die Biotope von nationaler Bedeutung wirklich gemäss den festgelegten Schutzzielen? Verändert sich ihre ökologische Qualität?
Diesen Fragen geht die Wirkungskontrolle Biotopschutz Schweiz nach, einem langfristigen Programm des BAFU und der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL). Die Wirkungskontrolle dient auch als Frühwarnsystem für Bund und Kantone. Mit Hilfe von Felderhebungen und Luftbildanalysen können nationale und regionale Entwicklungen in den Biotopen rechtzeitig erkannt und Korrekturmassnahmen eingeleitet werden.
Die ersten Ergebnisse der Wirkungskontrolle Biotopschutz Schweiz dokumentieren, dass sich die Biotope von nationaler Bedeutung insgesamt negativ verändern: Es findet eine Verschlechterung der Lebensraumqualität in diesen eigentlich geschützten Gebieten statt. Die gesetzlichen Vorgaben werden somit nicht erfüllt. Folgende negative Entwicklungen wurden festgestellt:

Moore
• Hochmoore und Flachmoore werden trockener. Ursachen: Gestörter Wasserhaushalt innerhalb oder ausserhalb der Moore (z. B. durch alte, noch aktive Entwässerungen)
• Der Nährstoffgehalt in den eigentlich extrem mageren Hochmooren steigt. In Flachmooren verbleibt das Nährstoffniveau auf hohem Niveau. Ursachen: Nährstofffreisetzung aus trocken gefallenem Torf; Nährstoffeintrag über die Luft und von angrenzenden Landwirtschaftsflächen
• In den Flachmooren werden typische Arten dieses Lebensraums seltener. Ursachen: Verschlechterung der Lebensraumqualität; fehlende Vernetzung zwischen den Flachmooren

Trockenwiesen und -weiden
• Wie bei den Hochmooren steigt auch in den Trockenwiesen und -weiden der Nährstoffgehalt. Ursachen: Stickstoffeintrag über die Luft; Nährstoffeintrag durch die Fütterung des Weideviehs mit Zusatzfutter in Kombination mit einer zu hohen Bestockung der Weiden mit Vieh; Erhöhung der Nährstoffverfügbarkeit im Boden durch Bewässerung
• Büsche und Bäume breiten sich aus. Ursachen: Nutzungsaufgabe; Unternutzung
• In Trockenwiesen und -weiden werden deutlich mehr Strassen neu gebaut als zurückgebaut. Ursache: Erschliessung von abgelegenen Flächen

Amphibienlaichgebiete
• Viele der in den frühen 1990er-Jahren dokumentierten Amphibienpopulationen sind verschwunden. Über die ganze Schweiz gesehen beträgt der Rückgang mindestens eine Art pro Inventarobjekt. Ursachen: Zerstörung von Laichgewässern; mangelnder Unterhalt bzw. fehlende Lebensraumdynamik; fehlende Vernetzung mit Landlebensräumen und zwischen den Laichgewässern

Die Resultate der Wirkungskontrolle Biotopschutz zeigen nicht nur negative Entwicklungen, sondern auch positive Veränderungen. Diese verdeutlichen, dass Massnahmen erfolgreich sind und sich lohnen. So nimmt in den Hochmooren des Mittellands die Gehölzdeckung ab, was auf gezielte und systematische Entbuschungsaktionen zurückzuführen ist. Bei den Amphibien hat sich der Rückgang bestimmter Arten in den letzten 15 Jahren verlangsamt oder wurde sogar gestoppt. Die Bestände der beiden stark gefährdeten Arten Geburtshelferkröte und Kreuzkröte gehen aber weiterhin zurück, und die anderen Arten konnten ihre grossen Verluste der letzten Jahrzehnte noch längst nicht kompensieren. Es ist daher noch zu früh, um Entwarnung zu geben.
Es gilt nun, die negativen Entwicklungen zu stoppen und umzukehren. Dazu müssen die bisherigen Anstrengungen weitergeführt und verstärkt sowie weitere Massnahmen ergriffen werden, um eine umfassende Trendumkehr einzuleiten. Gelingt dies nicht, werden zahlreiche spezialisierte Pflanzen-, Tier- und Pilzarten aus der Schweiz verschwinden und die Biodiversitätskrise verschärfen.


Keywords:
Biotope von nationaler Bedeutung, Wirkungskontrolle Biotopschutz Schweiz, Schutzziele, ökologische Qualität, Zustand der Biodiversität

Art der Publikation:
Bericht

Literatur:
Bergamini A., Ginzler C., Schmidt B.R. et al. (2019): Resultate der Wirkungskontrolle Biotopschutz – Kurzfassung. Hrsg.: Bundesamt für Umwelt BAFU, Bern. 21 S.

Bergamini A., Ginzler C., Schmidt B.R. et al. (2019): Zustand und Entwicklung der Biotope von nationaler Bedeutung: Resultate 2011–2017 der Wirkungskontrolle Biotopschutz Schweiz. WSL Ber. 85. 104 S.

Les deux rapports sont également disponibles en français. Voir les liens ci-dessous.
https://www.bafu.admin.ch/dam/bafu/de/dokumente/biodiversitaet/fachinfo-daten/resultate-der-wirkungskontrolle-biotopschutz-kurzfassung.pdf.download.pdf/Kurzfassung_WBS_2019.pdf
https://www.dora.lib4ri.ch/wsl/islandora/object/wsl%3A22012/datastream/PDF/download/Bergamini-2019-Zustand_und_Entwicklung_der_Biotope-%28published_version%29.pdf
https://www.bafu.admin.ch/dam/bafu/fr/dokumente/biodiversitaet/fachinfo-daten/resultate-der-wirkungskontrolle-biotopschutz-kurzfassung.pdf.download.pdf/Résumé_WBS_2019.pdf

https://www.dora.lib4ri.ch/wsl/islandora/object/wsl%3A22015/datastream/PDF/download/Bergamini-2019-Résultats_du_suivi_des_effets-%28published_version%29.pdf

Kontaktadresse:
Dr. Ariel Bergamini
Eidg. Forschungsanstalt WSL
Zürcherstrasse 111
CH-8903 Birmensdorf

Dr. Benedikt R. Schmidt
info fauna karch
Bellevaux 51
CH-2000 Neuchâtel

ariel.bergamini@wsl.ch
Benedikt.Schmidt@unine.ch
Tel: +41 (0)44 739 23 32


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