13.11.2019: Forschung CH

Waldreservate - was lange währt, wird endlich gut

Réserves forestières – tout vient à point à qui sait attendre



Veronika Braunisch et al.

Bis neu begründete Naturwaldreservate anspruchsvollen und spezialisierten Waldvogelarten gute Lebensraumbedingungen bieten, braucht es Zeit. Für Arten, die auf lichte und heterogene Waldbestände angewiesen sind, nimmt die Lebensraumeignung zunächst einmal ab, weil die Wälder nach der Nutzungsaufgabe zuerst dichter und dunkler werden. Erst nach rund 30 Jahren verbessern sich die Habitateigenschaften wieder merklich.

Il faut du temps pour que les réserves forestières naturelles nouvellement créées offrent de bonnes conditions d'habitat aux espèces d'oiseaux forestières exigeantes et spécialisées. Pour les espèces qui dépendent de peuplements forestiers clairs et hétérogènes, l'adéquation de l'habitat commence par diminuer parce que les forêts deviennent d'abord plus denses et plus sombres après l'abandon de leur exploitation. Ce n'est qu'après une trentaine d'années que les caractéristiques de l'habitat s'améliorent de nouveau sensiblement.


(SIS) Die Nutzungsaufgabe von Wäldern und die Einrichtung von Naturwaldreservaten ist eine Massnahme, um natürliche Entwicklungsprozesse zuzulassen und die strukturelle Vielfalt von Wäldern und damit die Biodiversität zu erhöhen. Da bewirtschaftete Wälder im Vergleich zu Naturwäldern vor allem junge Waldbestände aufweisen (d.h. weniger als 150 Jahre alt), werden sie nach der Nutzungsaufgabe zuerst einmal dichter und dunkler. Dies kann sich auf jene Waldarten nachteilig auswirken, die auf lichte und strukturreiche Wälder angewiesen sind.
Um die Auswirkung einer Nutzungsaufgabe auf Arten mit verschiedenen Lebensraumansprüchen besser zu verstehen, haben Forschende in 42 unterschiedlich alten Naturwaldreservaten in der Schweiz und Baden-Württemberg (D) den Effekt der Nutzungsaufgabe auf die wichtigsten Habitateigenschaften von vier Bergwaldvogelarten untersucht, namentlich von Auerhuhn (Tetrao urogallus), Haselhuhn (Bonasa bonasia), Dreizehenspecht (Picoides tridactylus) und Sperlingskauz (Glaucidium passerinum).
Für die auf offene und heterogene Waldstrukturen angewiesenen Arten (Auerhuhn, Haselhuhn, Sperlingskauz) war die Habitateignung korreliert mit der Zeit, die seit der Nutzungsaufgabe verstrichen ist: In den ersten drei Jahrzehnten nach der Bewirtschaftungsaufgabe zeigten die Waldreservate einen signifikanten Rückgang in der Habitateignung. Anschliessend erhöhte sich diese kontinuierlich mit dem Reservatsalter (das älteste Naturwaldreservat in der Studie war rund 100 Jahre alt). Die wichtigen Habitatstrukturen wurden immer häufiger, je länger die Nutzungsaufgabe zurücklag. Beim Dreizehenspecht war die Habitateignung unabhängig vom Alter des Reservats; er profitiert von Totholz und vom Borkenkäferbefall, die nach natürlichen Störungen unabhängig vom Alter des Reservats auftreten können.
In ihrem Fazit empfehlen die Forschenden, für die Ausweisung neuer Naturwaldreservate in erster Linie naturnahe, strukturreiche Wälder mit möglichst alten Baumbeständen zu berücksichtigen.


Keywords:
Naturwaldreservate, Waldarten, Vögel, natürliche Sukzession, Artenförderung

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
Braunisch V., Roder S., Coppes J., Froidevaux J. S., Arlettaz R., Bollmann K. (2019): Structural complexity in managed and strictly protected mountain forests: effects on the habitat suitability for indicator bird species. Forest Ecology and Management 448, 139-149.
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0378112719306437

Kontaktadresse:
Dr. Veronika Braunisch
Universität Bern
Institute of Ecology and Evolution
Conservation Biology
Baltzerstrasse 6
CH-3012 Bern

veronika.braunisch@iee.unibe.ch
Tel: +41 (0)31 631 31 63


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