22.3.2019: Forschung international
Neue Erkenntnisse der Biodiversitätsforschung könnten die Gesundheitsvorsorge revolutionieren
De nouvelles découvertes dans la recherche sur la biodiversité pourraient révolutionner la prévention de la santé
Robert Dunn et al.
Gelten auf unseren Körpern und in unseren Häusern die gleichen Gesetze der biologischen Vielfalt wie draussen in der Natur? Wenn ja, wären unsere Hygienemassnahmen zur Bekämpfung von Keimen teilweise kontraproduktiv. Das schreibt ein interdisziplinäres Team von Forschenden und schlägt vor, die Rolle der Artenvielfallt verstärkt auch in den Ökosystemen «Körper» und «Haus» zu untersuchen. Die Erkenntnisse daraus könnten bisherige Strategien zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten und resistenten Keimen auf den Kopf stellen.
Est-ce que les lois sur la biodiversité sont les même dans la nature, sur notre corps et dans nos maisons ? Si oui, nos mesures d’hygiène pour combattre les germes seraient en partie contre-productives. C’est le constat d’une équipe interdisciplinaire de chercheurs, qui suggère d’étudier plus à fond le rôle de la diversité des espèces dans les écosystèmes «corps» et «maison». Les conclusions pourraient chambouler les stratégies actuelles de lutte contre les maladies infectieuses et les germes résistants.
Ökosysteme mit hoher biologischer Vielfalt sind widerstandsfähiger gegenüber Störungen wie eindringende gebietsfremde Arten, Klimaschwankungen oder Krankheitserregern. Reduziert man diese Vielfalt, gehen grundlegende Funktionen im Ökosystem verloren. Betrachtet man unseren Körper oder unser Zuhause durch ein Mikroskop, eröffnet sich eine mindestens so vielfältige Lebensgemeinschaft aus Mikroorganismen. Möglicherweise gelten für sie ähnliche Gesetze wie für die «grossen» Ökosysteme. Dies hätte weitreichende Konsequenzen für unsere Gesundheitsvorsorge. Wissenschaftler schlagen vor, die Theorien aus der Ökosystemforschung auch an unserer unmittelbaren Umwelt und deren Mikroorganismen zu testen.
Nach dem ökologischen Nischenmodell teilen sich Pflanzen oder Tiere die vorhandenen Ressourcen in ihrem Lebensraum auf, wobei Arten mit ähnlichen Bedürfnissen miteinander konkurrieren. Neu hinzukommende Arten haben es schwer, sich zu etablieren, zumindest in einem stabilen Ökosystem. Auf artenarmen oder vom Menschen gestörten Standorten können sich gebietsfremde Arten hingegen wesentlich leichter breitmachen.
Auf dieser Grundlage sind Krankheitserreger in unserem Umfeld vergleichbar mit invasiven Organismen in der Natur. Wenn man nun die Erkenntnisse aus den grossen Lebensräumen auf die Welt der Mikroben überträgt, muss man befürchten, dass die häufige Nutzung von Desinfektionsmitteln und Antibiotika die Ausbreitung gefährlicher Keime erhöht, weil dadurch die natürliche Artengemeinschaft gestört wird.
Ohnehin löst nur ein relativ geringer Anteil der über 200’000 bekannten Mikroorganismen in menschlichen Behausungen sowie auf und in menschlichen Körpern tatsächlich Krankheiten aus. Das gilt auch für Insekten und andere Gliederfüsser, die in Wohnungen und Häusern in der Regel als Störenfriede betrachtet werden, allen voran Spinnen. Diese erbringen als Räuber wichtige Ökosystemleistungen, indem sie Stechmücken, Bettwanzen, Schaben oder Hausfliegen dezimieren, die wiederum Krankheiten übertragen können. Wo die Theorien aus der Biodiversitäts- und Ökosystemforschung im Gesundheitsbereich zutreffen, sollte nach Ansicht der Autoren systematischer untersucht werden.
Quelle: Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv)
Keywords:
Gesundheit, Ökosystemstabilität, mikrobiologische Vielfallt
Art der Publikation:
Fachpublikation
Literatur:
Dunn R.R., Reese A.T., Eisenhauer N. (2019): Biodiversityecosystem function relationships on bodies and in buildings. Nature ecology & evolution 3(1), 7-9. https://doi.org/10.1038/s41559-018-0750-9
https://www.nature.com/articles/s41559-018-0750-9
Kontaktadresse:
Prof. Dr. Nico Eisenhauer
Universität Leipzig
Experimentelle Interaktionsökologie
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
D- 04103 Leipzig
nico.eisenhauer@idiv.de
Tel: +49 (0) 341 9733167
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