22.3.2019: Forschung CH

Häufige Sedimentspülungen gefährden Insektenvielfalt in alpinen Flüssen

Les purges sédimentaires fréquentes menacent la biodiversité des insectes dans les cours d'eau alpins



Chrystelle Gabbud, Christopher T.Robinson, Stuart N.Lane

Wasserlebewesen sind an raue Umweltbedingungen im Gebirge angepasst und tolerieren ein gewisses Mass an Störungen. Doch es kann auch zu viel werden, wie ein Beispiel aus der Westschweiz zeigt: Das regelmässige Spülen von Wasserfassungen führt zu einem dramatischen Rückgang der Insekten.

Les organismes aquatiques alpins sont adaptés aux conditions parfois très rudes de la haute montagne et sont assez tolérants vis-à-vis des perturbations. Mais, comme le montrent des observations faites en Valais, cette tolérance a ses limites: la purge fréquente des prises d'eau entraîne un déclin dramatique des insectes.


Staudämme, Wehre, Wasserfassungen – die Flüsse in unserem Alpenraum sind aufgrund der Wasserkraftnutzung weiträumig verbaut. Das verändert die Abfluss- und Sedimentdynamik und damit auch das Vorkommen von Tier- und Pflanzenarten. Um die ökologischen Auswirkungen möglichst gering zu halten, ist es wichtig, ausreichend Restwassermengen zu garantieren sowie die natürliche Sedimentdynamik wiederherzustellen. Nun zeigt eine neue Studie: Gerade im Falle von Wasserfassungen bedarf es zusätzlich einer Regelung des Sedimenteintrags, damit die Bachbewohner überleben können.
Denn an einer Wasserfassung staut sich viel Sand und Kies an. In stark vergletscherten Einzugsgebieten sogar so viel, dass die Fassungen bis zu 17-mal am Tag gespült werden müssen, um die Sedimentfallen zu entleeren. Und dies mit verheerenden Folgen: Während des Sommers – die Zeit der häufigsten Spülungen – fanden die Forschenden praktisch kein Leben in der Borgne d’Arolla, einem alpinen Flusssystem im Wallis. Grund dafür sind die grossen Mengen an Grob- und Feinsediment, das die Tiere unter sich begräbt. Erst wenn die Störungen im Herbst aufhören, ändert sich die Situation. Doch die Gesellschaften bleiben relativ verarmt. Und sobald die Spülungen wieder einsetzten, verschwanden die Tiere genauso schnell, wie sie gekommen waren.
Vor rund 25 Jahren sah die Lage noch anders aus: Bereits damals untersuchte ein Team von Forschenden Makroinvertebraten wie Insektenlarven oder Würmer in der Borgne d’Arolla. Obwohl die Wasserfassungen bereits existierten, war deren ökologischer Einfluss noch relativ gering. Doch weil die Gletscher im Einzugsgebiet des Flusses abschmolzen, nahm der Eintrag an Kies und Sand und dadurch auch die Anzahl täglicher Spülungen mehr und mehr zu. Bis zum heutigen Niveau, das kaum mehr Leben zulässt.
Damit unterhalb von Wasserfassungen Gewässerbewohner ganzjährig überleben können, müsse die Häufigkeit der Spülungen unbedingt zurückgehen, so die Forschenden. Entscheidend dabei sei, die Restwassermengen anzupassen und mit einem Sedimentregime zu koppeln. Denn nur so könne es gelingen, die Sedimente in einer natürlicheren Weise aus der Wasserfassung auszutragen und im Bachbett zu verteilen - und damit ein funktionierendes Ökosystem zu ermöglichen.

Quelle: Eawag


Keywords:
Wasserkraft, Gewässerorganismen, Sediment, Restwasser

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
Gabbud C., Robinson C.T., Lane S.N. (2019): Summer is in winter: Disturbance-driven shifts in macroinvertebrate communities following hydroelectric power exploitation. Science of the Total Environment 650, 2164-2180. https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2018.09.180
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0048969718336246
https://www.eawag.ch/de/news-agenda/news-plattform/news/news/haeufige-sedimentspuelungen-gefaehrden-insektenvielfalt-in-alpinen-fluessen/?tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&cHash=a97bad2c834496d97b00f5deb9e5c325

Kontaktadresse:
Dr. Christopher Robinson
Eawag
Überlandstrasse 133
CH-8600 Dübendorf

christopher.robinson@eawag.ch
Tel: +41 (0)58 765 5317


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