1.12.2004: weitere Links
Artenvielfalt im Internet: Das Herbarium der Zürcher Hochschulen läutet neue Ära ein
Gregor Klaus
Seit dem 24. November 2004 können digitale Bilder von 13'000 Belegexemplaren von Pflanzenarten aus dem Herbarium der Zürcher Hochschulen im Internet besichtigt werden. Die Bemühungen um die Digitalisierung der Belegexemplare stehen in Zusammenhang mit der Erfassung und Erforschung der globalen Biodiversität.
Seit Jahrhunderten sammeln Naturwissenschafter in allen Regionen der Welt Tiere und Pflanzen. Mittlerweile lagern in den Naturhistorischen Museen und Herbarien etwa drei Milliarden getrocknete, gepresste, ausgestopfte oder in Alkohol schwimmende Objekte. Die naturwissenschaftlichen Sammlungen dokumentieren so den ungeheuren Formenreichtum der Natur und werden deshalb gerne als die grossen Archive des Lebens bezeichnet. Zu den Kostbarkeiten jeder Sammlung gehören die sogenannten Typusexemplare, anhand derer eine Tier- oder Pflanzenart zum ersten Mal beschrieben wurde. Erst diese Verknüpfung eines wissenschaftlichen Namens mit einigen wenigen Individuen schafft die Grundlage für eine stabile Benennung der Arten. Die Typusexemplare, die nach der «Taufe» einer Art aus Sicherheitsgründen auf verschiedene Sammlungen verteilt werden, haben damit eine ähnliche Funktion wie das Urmeter in Paris und müssen bei taxonomischen Unsicherheiten konsultiert werden.
Für die systematische Biologie sind die wissenschaftlichen Sammlungen unersetzliche Arbeitsinstrumente. Allerdings ist es für die Wissenschafter nicht immer einfach, an die gewünschten Informationen zu gelangen. So muss ein Botaniker, der im Regenwald Südamerikas eine ihm unbekannte Pflanzenart gefunden hat, zahlreiche Herbarien kontaktieren oder gar vor Ort nachsehen, ob diese Art neu ist oder bereits beschrieben wurde. Die mühsame Sucherei könnte aber bald ein Ende haben. Mehrere internationale Initiativen wollen nämlich die in den Sammlungen schlummernden Informationen in den kommenden Jahren über das Internet zugänglich machen. Über ein gemeinsames Internetportal sollen dann die gewünschten Daten zentral abrufbar sein. Als eine der ersten grossen Institutionen weltweit bietet das gemeinsame Herbarium der Universität Zürich und der ETH Zürich seit dem 24. November 2004 die Informationen zu 13'000 Typusexemplaren unter www.zuerich-herbarien.unizh.ch in Form einer Datenbank mit digitalen Bildern an. Gleichzeitig können diese Belege auch über das internationale Portal der «Global Biodiversity Information Facility» (www.gbif.net) und des Biological Collection Access Service BioCASE (www.biocase.org) abgerufen werden.
Mit der Aufschaltung der Datenbank hat für das Herbarium eine neue Ära begonnen. Wenn beispielsweise ein Systematiker aus Amerika wissen möchte, ob eine von ihm gesuchte Pflanzenart in Zürich lagert, müsse er nicht mehr um die halbe Welt reisen, sondern kann sich bequem vor den Computer setzen und den Namen der Pflanze über das Internet suchen. Vor allem Botaniker aus dem südlichen Afrika oder aus Neukaledonien dürften sich über die kostenlose Dienstleistung freuen. Zwei frühere Institutsdirektoren haben nämlich vor rund 100 Jahren mehrere Expeditionen in diese Regionen durchgeführt und zahlreiche Typusexemplare nach Zürich gebracht, wo sie aber bisher praktisch unerreichbar für Wissenschafterinnen und Wissenschafter aus den Entwicklungsländern waren.
In den kommenden Jahren soll das Angebot im Internet stark erweitern werden. Denn neben den Typusexemplaren lagern im Zürcher Herbarium weitere drei Millionen Pflanzenbelege, die wertvolle, aber bisher kaum nutzbare Informationen beherbergen. Wenn die Belege alle digital erfasst wären, könnten viele wichtige und spannende Forschungsfragen bearbeitet werden. Jeder Beleg dokumentiert nämlich das Vorkommen einer Art an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit. Mit wenigen Mausklicken könnte in Zukunft beispielsweise die Artenzusammensetzung eines bestimmten Gebietes im brasilianischen Regenwald vor mehreren hundert Jahren abgerufen und mit heutigen Artenaufnahmen verglichen werden. Damit liesse sich der Rückgang von Arten oder das Eindringen gebietsfremder Pflanzen dokumentieren. Weil ausserdem von jeder Pflanzenart hunderte oder gar tausende von Belegen existierten, wäre es auch denkbar, Verbreitungskarten von sämtlichen Pflanzenarten zu erstellen. Vor allem für die wenig untersuchte Flora der Tropen wäre dieses Wissen von grosser Bedeutung. In einigen Jahren könnte auch jeder botanisch Interessierte von dem erweiterten Internetangebot profitieren. Wer dann beispielsweise nach Belegen aus dem Sihlwald oder der Gemeinde Horgen sucht, würde in wenigen Sekunden einen Überblick über die Flora dieses Gebietes erhalten.
Keywords:
Herbarium, Typusexemplar, Sammlungen
http://www.zuerich-herbarien.unizh.ch
Kontaktadresse:
Reto Nyffeler, Ph.D. Curator of Phanerogams , University of Zürich Herbarium, Institute of Systematic Botany, Zollikerstrasse 107 , CH-8008 Zürich
rnyffeler@systbot.unizh.ch
Tel: +41 (0) 1 634 84 42
Fax: +41 (0) 1 634 84 03
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