1.12.2004: Forschung CH

Hufeisennasen brauchen Hilfe!




Fabio Bontadina

Die Grosse und die Kleine Hufeisennase sind heute in Mitteleuropa nach einem dramatischen Bestandeseinbruch vom Aussterben bedroht. Beide Hufeisennasenarten zeigten bei radio-telemetrischen Untersuchungen unter anderem eine Vorliebe für Waldgebiete. Aus den Forschungsresultaten wurden konkrete Schutzmassnahmen abgeleitet.

Eine entscheidende Voraussetzung für den Schutz von bedrohten Arten sind Kenntnisse über deren grundsätzliche ökologische Ansprüche, auf deren Grundlage der Bedarf nach artspezifischen Schutzmassnahmen abgeklärt werden kann. Die Grosse Hufeisennase (Rhinolophus ferrumequinum) und die Kleine Hufeisennase (Rhinolophus hipposideros) sind heute in der Schweiz nach einem dramatischen Bestandeseinbruch in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts vom Aussterben bedroht. Mit der Zielsetzung, raumspezifische Angaben zur Nutzung der Ressourcen zu erheben, wurden Hufeisennasenkolonien in der Schweiz, in Italien und in Wales (UK) mit radiotelemetrischen Methoden untersucht, eine angepasste Methode zur Auswertung der Raumdaten entwickelt, konkrete, raumspezifische Vorschläge zur Umsetzung der Resultate in Schutz- und Fördermassnahmen formuliert und in einem Konzept die Prioritäten der weiteren Forschungsarbeiten aufgezeigt. Bei der radio-telemetrischen Untersuchung einer sehr mobilen Art schwankt die Genauigkeit der erreichbaren Ortungen abhängig vom Gelände und dem Verhalten des Tieres. Es wird eine Methode vorgeschlagen, wie Ortungen geringer Genauigkeit nicht – wie allgemein empfohlen – aus den Analysen ausgeschlossen werden müssen und deren Informationen damit verloren gehen, sondern wie diese zusammen mit ihrem Fehler in die Berechnung der Aufenthaltsdichten einbezogen werden können, ohne dass dabei die hohe räumliche Auflösung von genauen Ortungen verloren geht. Beide Hufeisennasenarten zeigen eine Selektion für Waldgebiete, wobei die Kleine Hufeisennase streng an Waldgebiete gebunden ist, während dies für die Grosse Hufeisennase nur im Frühling zutrifft. Die Hypothese, wonach der grossräumige Populationsrückgang in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts auf einen Verlust der Jagdlebensräume zurückgeht, kann für die Kleine Hufeisennase verworfen werden, da Waldgebiete in derselben Zeit an Fläche zunahmen. Das Muster der Raumnutzung beider Arten ist stark vom Reproduktionsquartier geprägt. Hufeisennasen nutzen ihre unmittelbare Umgebung der Kolonie im Umkreis von 2,5 bis 3,5 km für die Nahrungssuche. Je weiter die Jagdgebiete von der Kolonie entfernt sind, desto geringer ist die Nutzungsdichte. Dieses Raumverhalten wird im Zusammenhang mit einer Begrenzung durch die Flügelmorphologie gesehen, die für lange Flüge nicht geeignet ist. Umgekehrt jedoch ermöglicht sie den Hufeisennasen, mit wendigem Flug in dichter Vegetation Insekten zu jagen. Aufgrund dieser Resultate wird postuliert, dass Artenschutzmassnahmen in der Umgebung des Reproduktionsquartiers am wirkungsvollsten sind. Es werden drei Perimeter für die Umsetzung der Resultate im Umfeld von Reproduktionskolonien mit zunehmender Grösse und mit abnehmender Schutzpriorität vorgeschlagen: Kernjagdgebiete mit den höchsten Nutzungsdichten, das gesamte Aktivitätsgebiet der Kolonie und das Verbreitungsgebiet der Art in einer Region. Die aufgrund der Forschungsresultate abgeleiteten Massnahmen sind als Hypothesen zu verstehen, deren Wirksamkeit zu kontrollieren ist. Aufgrund einer Erfassung der Restvorkommen der Kleinen Hufeisennase in der Schweiz und einer Evaluation der Ursachen, die zum Aussterben geführt haben, werden Prioritäten für weitergehende Forschungsarbeiten festgelegt.

Keywords:
Fledermäuse, Radiotelemetrie, Habitatselektion, Artenschutz, Schutzmassnahmen

Art der Publikation:
Dissertation

Literatur:
Fabio Bontadina (2002): Conservation ecology in the horseshoe bats Rhinolophus ferrumequinum and Rhinolopus hipposideros. Die Dissertation kann auf dem folgenden Link heruntergeladen werden:
http://www.Rhinolophus.net

Kontaktadresse:
Dr. Fabio Bontadina, Erlachstrasse 9a, CH-3012 Bern
fabio.bontadina@swild.ch
Tel: +41 (0) 31 631 31 73
Fax: +41 (0)1 450 68 09

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