27.3.2018: Forschung international

Insektensterben: Auch häufige Arten werden selten

Déclin des insectes : les espèces communes aussi deviennent rares



Jan Christian Habel, Thomas Schmitt

Auch derzeit weit verbreiteten Insekten droht zukünftig ein hoher Artenverlust. Als Gründe für den Rückgang dieser «Generalisten» nennt das Forscherteam die Verinselung von Lebensräumen. Dadurch sind auch die Populationen von weniger anspruchsvollen Arten nicht mehr vernetzt und ihre genetische Vielfalt nimmt ab – die Insekten reagieren dadurch sensibler auf Umweltveränderungen.

Les insectes actuellement communs sont aussi menacés de perdre beaucoup d’espèces à l’avenir. L’équipe de recherche désigne l’isolement des habitats comme cause du déclin de ces « généralistes ». En conséquence, même les populations d'espèces moins exigeantes ne sont plus en réseau et leur diversité génétique diminue ; les insectes réagissent ainsi davantage aux changements environnementaux.


Insekten werden immer weniger – in einigen Regionen wurde ein dramatischer Rückgang von bis zu 75 Prozent der Insektenbiomasse in den letzten Jahrzehnten nachgewiesen. Bisher sind Forschende davon ausgegangen, dass besonders die Spezialisten unter den Insekten, also Arten, die auf einen besonderen Lebensraum angewiesen sind, von Rückgängen und dem Aussterben bedroht sind. Eine neue Literaturstudie zeigt aber, dass auch sogenannten «Allerweltsarten» in Zukunft massiv gefährdet sind.
Die Wissenschaftler legten in ihrer Studie dar, dass auch Arten mit geringen Ansprüchen an ihren Lebensraum auf den Austausch zwischen verschiedenen Populationen angewiesen sind. Denn weit verbreitete Arten weisen einen merklich vielfältigeren innerartlichen Genpool auf als Arten, die sich an einen speziellen Lebensraum angepasst haben. Haben diese Arten aufgrund der Verinselung ihrer Lebensräume nicht mehr die Möglichkeit, diese genetische Vielfalt durch Austausch aufrecht zu erhalten, wird ihnen zukünftig die Anpassungsfähigkeit an veränderte Umweltbedingungen fehlen.
Die Insektenforscher sprechen hier von einer «zeitlichen Verschiebung potenzieller Ursachen des Artenrückgangs»: Anfänglich sind besonders die Spezialisten durch den Verlust von qualitativ wertvollem Lebensraum bedroht. Mit zunehmender Zeit und weiterer Verschlechterung der Lebensräume sowie des Zusammenbruchs von Lebensraumnetzwerken nimmt die Gefährdung für weit verbreitete, weniger anspruchsvolle Arten zu.
Für den praktischen Naturschutz heisst dieses Ergebnis, dass es zukünftig nicht mehr ausreichen wird, kleine und isolierte Schutzgebiete zu erhalten. Diese sind zwar ein Gewinn für spezialisierte Arten mit einfacher genetischer Struktur, die Masse an Arten, die auf einen Austausch zwischen lokalen Populationen angewiesen ist, wird man so mittel- oder langfristig aber verlieren – mit dramatischen Auswirkungen auf ganze Nahrungsnetze und Ökosysteme.

Quelle: Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen

Keywords:
Insekten, Aussterben, Generalisten, Landwirtschaft, genetische Vielfalt

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
Habel J.C., Schmitt T. (2018): Vanishing of the common species: Empty habitats and the role of genetic diversity. Biological Conservation 218, 211. DOI: 10.1016/j.biocon.2017.12.018

Kontaktadresse:
Prof. Dr. Thomas Schmitt
Senckenberg – Deutsches Entomologisches Institut Müncheberg (SDEI)
D-15374 Müncheberg
thomas.schmitt@senckenberg.de


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