12.10.2017: Forschung CH
Lichtverschmutzung bedroht die Bestäubung
La pollution lumineuse menace la pollinisation
Eva Knopp et al.
Künstliches Licht stört nachtaktive Insekten beim Bestäuben von Pflanzen und reduziert die Anzahl produzierter Samen und Früchte. Dieser Verlust der nächtlichen Bestäubungsleistung kann auch durch tagaktive Bestäuber nicht kompensiert werden. Pflanzen werden dadurch in ihrer Fortpflanzung beeinträchtigt.
La lumière artificelle dérange les insectes nocturnes lors de la pollinisation des plantes et réduit le nombre de graines et de fruits produit. L’activité des pollinisateurs diurnes n'arrive pas à compenser cette diminution du service que représente la pollinisation nocturne. Ainsi, c’est la reproduction des plantes qui s’en trouve perturbée.
Der Bestand an Bienen und anderen tagaktiven Bestäubern nimmt weltweit ab – wegen dem fortschreitenden Verlust von Lebensräumen, Pestiziden, Krankheiten, eingeschleppten Parasiten und dem Klimawandel. Nun zeigen Forschende erstmals, dass durch künstliches Licht auch nachtaktive Bestäuber beeinträchtigt werden.
Die nachtaktiven Bestäuber spielen für die Pflanzen eine wichtige Rolle, wie Experimente in den Berner Voralpen gezeigt haben. Das Forscherteam stellte fest, dass Blüten unter künstlicher Beleuchtung um rund zwei Drittel weniger häufig von Bestäubern besucht wurden als solche, die in der Dunkelheit lagen. Dies hat Auswirkungen auf die Samenbildung und somit Fortpflanzung von Pflanzen.
Die Lichtemissionen haben in den letzten zwanzig Jahren um 70 Prozent zugenommen, insbesondere im Siedlungsraum. In den noch relativ dunklen Voralpen konnten die Forschenden zeigen, dass nachts auf unbewirtschafteten Flächen ohne künstliche Beleuchtung insgesamt fast 300 Insektenarten die Blüten von rund 60 Pflanzenarten besuchten. Auf sieben Flächen mit experimentell aufgestellten Strassenlampen hingegen lagen die Nachtbestäuber-Besuche um 62 Prozent tiefer als auf den unbeleuchteten Flächen. Die verwendeten LED-Lampen werden in der Schweiz standardmässig für die öffentliche Strassenbeleuchtung eingesetzt.
Dieser Verlust an nächtlichen Blütenbesuchern führt zu einer Reduktion der Samenbildung von Pflanzen, wie die Forschenden am Beispiel der Kohldistel (Cirsium oleraceum) nachweisen konnten. Die blassen Blütenkörbchen sind eine reichliche und gut zugängliche Pollen und Nektarquelle für zahlreiche Insektenarten und gehören sowohl bei Tag als auch bei Nacht zu den am häufigsten besuchten Pflanzen. Das Team untersuchte insgesamt 100 Kohldisteln, die an fünf Standorten mit Lampen sowie fünf Standorten ohne künstliches Licht wuchsen. Auch hier wurden die Pflanzen im Lichtkegel einer Lampe nachts sehr viel seltener von bestäubenden Insekten besucht, als solche im Dunkeln. Der Rückzug der Bestäuber hatte einen deutlichen Einfluss auf die Fortpflanzung der Kohldisteln: am Ende der Testphase war die durchschnittliche Anzahl von Früchten pro Pflanze um rund 13 Prozent geringer.
Die Studie zeigt weiter, dass die Nachtbestäuber indirekt auch die Tagbestäuber fördern können, indem sie dieselben Pflanzen besuchen. Die darunterliegenden Mechanismen sind noch unbekannt – eine mögliche Erklärung könnte sein, dass die Pflanzen dank Nachtbestäuber einen Fitnessvorteil haben und dadurch den Tagbestäubern mehr Nahrung bieten. Ein Verlust der Nachtbestäuber aufgrund zunehmender Lichtverschmutzung könnte sich also auch indirekt negativ auf die Tagbestäuber auswirken. Dies müsse jedoch noch im Detail erforscht werden, so die Forschenden, ebenso wie die langfristigen Folgen der Bestäubungsausfälle für die Biodiversität. Aufgrund der Erkenntnisse fordern die Forschenden zum Handeln auf.
Quelle: Universität Bern
Keywords:
Insekten; Bestäubung; Lichtverschmutzung
Art der Publikation:
Fachpublikation
Literatur:
Knop E. et al. (2017): Artificial light at night as a new threat to pollination. Nature 548: 206-209, doi:10.1038/nature23288
http://www.nature.com/nature/journal/v548/n7666/full/nature23288.html?foxtrotcallback=true
http://www.unibe.ch/aktuell/medien/media_relations/medienmitteilungen/2017/medienmitteilungen_2017/lichtverschmutzung_bedroht_die_bestaeubung/index_ger.html
Kontaktadresse:
PD Dr. Eva Knop
Institut für Ökologie und Evolution
Universität Bern
CH-3012 Bern
eva.knop@iee.unibe.ch
Tel: +41 (0)31 631 45 39
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