2.10.2017: Forschung CH

Intensive Freizeitaktivitäten an Kalksteinfelswänden reduzieren die Landschneckenvielfalt

Des activités de loisir intensives sur les parois calcaires réduisent la diversité des mollusques terrestres



Bruno Baur, Anette Baur, Denes Schmera

Freizeitaktivitäten in natürlichen oder naturnahen Lebensräumen können die vorhandenen Lebensgemeinschaften verändern. Dies ist von besonderer Bedeutung, wenn der betroffene Lebensraum Refugialcharakter hat und ein bedeutender Teil der vorkommenden Arten Spezialisten sind, die nicht in angrenzende Habitate ausweichen können. Eine neue Studie zeigt, dass intensives Sportklettern auf Kalkfelswänden im Nordwestschweizer Jura die Artenvielfalt und Häufigkeit der spezialisierten Landschnecken stark reduziert.


Les activités de loisir dans des milieux naturels ou proches de l’état naturel peuvent modifier les communautés animales établies. Ceci prend une dimension particulière lorsque le milieu concerné a valeur de refuge et qu’une grande partie des espèces présentes sont des spécialistes qui ne peuvent pas se déplacer dans les habitats adjacents. Une nouvelle étude montre que les activités intensives d’escalade sportive sur les parois calcaires dans le nord-ouest du Jura diminuent fortement la diversité et la fréquence des mollusques terrestres spécialisés.


Kalkfelswände mit ihren vielfältigen Strukturen stellen einzigartige Lebensräume dar. Diese durch Trockenheit, ausgeprägte Temperaturschwankungen, Nährstoffarmut und hohe Sonneneinstrahlung charakterisierten Habitate bilden die Lebensgrundlage für eine Gruppe hoch spezialisierter Pflanzen- und Tierarten. Viele dieser Arten sind selten oder gefährdet, einige sogar stark bedroht. So beherbergen die Felsflühe im Jura glaziale Reliktpopulationen von verschiedenen Arten und erfüllen heutzutage eine wichtige Funktion als Refugien für zahlreiche Arten. Beim Sportklettern dringen aber immer mehr Menschen in diese bisher kaum berührten Lebensräume ein. Zu Beginn der 1980er-Jahre wurden die Felsflühe des Nordwestschweizer Jura als geeignete Sportklettergebiete entdeckt und sukzessiv mit Kletterrouten erschlossen. Heute geniesst das Gebiet zwischen Passwang und Rhein mit über 2000 eingerichteten Routen einen internationalen Ruf als Kletterregion.
Verschiedene Studien zeigten, dass intensive Kletteraktivitäten die Zahl der Pflanzenarten auf Felsflühen um 37 bis 62 % reduzieren. Eine neue Feldstudie untersuchte, ob intensives Sportklettern einen messbaren Einfluss auf die Artenvielfalt und Abundanz der auf Kalkfelsen lebenden Landschnecken hat. Dazu wurden in sieben Klettergebieten in der Nordwestschweiz bei jeweils fünf Kletterrouten die an der Felsoberfläche anhaftenden Schnecken erfasst. Als Kontrolle dienten jeweils fünf ungestörte Felsabschnitte in unmittelbarer Nähe der Kletterrouten. In den Kletterrouten konnten insgesamt acht Schneckenarten nachgewiesen werden, in den entsprechenden Flächen der «Kontrollrouten» 18 Arten. Werden die Individuenzahlen betrachtet, so konnten in den Kletterrouten insgesamt 830 Schnecken gefunden werden, in den «Kontrollrouten» hingegen 3192 Schnecken. Dies bedeutet, dass intensiv bekletterte Stellen nur 44 % der Artenvielfalt und 26 % der Anzahl Schnecken von ungestörten Flächen aufweisen. Andere erfasste Faktoren wie die Komplexität der Felsoberfläche hatten keinen Einfluss auf die beobachteten Unterschiede. Diese Zahlen belegen, dass intensives Sportklettern einen erheblichen negativen Einfluss auf die Lebensgemeinschaft der Landschnecken hat.
Um die häufig bekletterten Felsgebiete als Refugialstandorte erhalten zu können, sollten Schutzzonen ausgeschieden werden, in denen auf das Klettern verzichtet wird. Schon geringe Einschränkungen des Sportkletterns können so zur Erhaltung der äusserst wertvollen Felslebensgemeinschaften beitragen.

Quelle: Universität Basel


Keywords:
Biodiversität, Spezialist, Störungen, Freizeitaktivität

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
Baur B., Baur A., Schmera D. (2017): Impact assessment of intense sport climbing on limestone cliffs: Response of rock-dwelling land snails. Ecological Indicators 72, 260–267.
http://www.conservation.unibas.ch

Kontaktadresse:
Bruno Baur
Institut für Natur-, Landschafts- und Umweltschutz
Universität Basel
St. Johanns-Vorstadt 10
CH-4056 Basel
bruno.baur@unibas.ch
Tel: +41 (0)61 207 08 29


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