8.8.2017: Forschung international
Aussterben der Alpenpflanzen bleibt lange unsichtbar
La disparition des plantes alpines reste longtemps invisible
Olivier Cotto et al.
Wie reagieren alpine Pflanzen auf wärmere klimatische Bedingungen? Aufgrund ihrer Langlebigkeit können diese Pflanzen zwar länger als gedacht an vielen Standorten überleben. Allerdings produzieren sie Nachwuchs, der zusehends schlechter an die Standorte angepasst ist. Ihre Bestände nehmen in Folge schneller ab als ihre Verbreitung, wie Forschende anhand von Modellrechnungen zeigen. Wer das Aussterberisiko von Pflanzenarten genau erfassen möchte, sollte nicht nur ihre geographische Verbreitung, sondern auch den Zustand lokaler Populationen beobachten und in Abschätzungen einbeziehen.
Comment réagissent les plantes alpines à des conditions climatiques plus chaudes ? Par leur longévité, les plantes peuvent subsister en maints endroits plus longtemps. Par contre, elles produisent de jeunes générations de moins en moins adaptées. Leurs effectifs diminuent donc plus rapidement que leur répartition. C’est ce que des chercheurs ont montré à l’aide de modélisations. Si l’on veut saisir l'extinction des espèces végétales de manière précise, on devrait non seulement surveiller leur répartition géographique, mais aussi l'état des populations locales et intégrer ces données dans les estimations.
Für alpine Pflanzenarten stellt der Klimawandel eine besondere Herausforderung dar: Um der zunehmenden Wärme zu entfliehen, müssen sie ihren Lebensraum in die Höhe verschieben. Dort steht ihnen aber wegen des pyramidenförmigen Aufbaus von Bergen weniger Fläche zur Verfügung. Um das Aussterberisiko dieser Pflanzen abzuschätzen, griff die Wissenschaft bisher auf statische Modelle zurück, die jedoch die dynamischen Antworten der Flora auf den Klimawandel unzureichend abbildeten.
Nun hat ein Forschungsteam ein neues Modell entwickelt, das ökologische und evolutionäre Mechanismen berücksichtigt – und deshalb zuverlässigere Voraussagen erlaubt. Die Forschenden haben ihr Modell auf vier alpine Pflanzenarten angewendet und deren Anpassung und Verbreitung unter drei möglichen Klimaszenarien bis ins Jahr 2090 mit Hilfe von Supercomputern simuliert.
Die günstigeren Klimaszenarien, die von einer Erwärmung um ein Grad ausgehen, zeigen, dass sich die Pflanzenbestände wieder erholen, wenn ab 2090 auch die Erwärmung wieder nachlässt. Aber wenn der Klimawandel sich ungebremst entwickelt, haben die Pflanzen ein grosses Problem. Ein Problem, das sich der oberflächlichen Beobachtung entzieht und sich nur bei genauerem Hinsehen offenbart. Denn die lange Lebensdauer dieser Alpenpflanzen begünstigt deren Verharren an den Standorten, die sie aktuell besetzen. Aber gleichzeitig fassen immer weniger junge Pflanzen Fuss. Die Langlebigkeit verhindert eine Erneuerung der Populationen. Dadurch seien die Populationen zusehends schlechter an ihre sich verändernde Umwelt angepasst – und dünnten sich aus. Der Bestand nimmt schneller ab als die Verbreitung.
Insgesamt zeigen die durchgeführten Simulationen, dass die Anpassungsfähigkeit der Pflanzen nicht mit den raschen klimatischen Veränderungen Schritt halten kann. Dass sich ältere Individuen in einer sich verschlechternden Umwelt hartnäckig halten, täuscht darüber hinweg, dass sich allmählich eine Aussterbeschuld aufbaut. Um dieses unsichtbare Aussterberisiko korrekt zu erfassen, gelte es deshalb nicht nur die Verbreitung der alpinen Pflanzenarten, sondern auch die lokalen Bestandesdichten zu messen, schliessen die Forschenden.
Quelle: Universität Zürich
Keywords:
Klimawandel; alpine Pflanzen; Modellierung; Bestand; Verbreitung; Anpassung
Art der Publikation:
Fachpublikation
Literatur:
Cotto O. et al. (2017): A dynamic eco-evolutionary model predicts slow response of alpine plants to climate warming. Nature Communications, 8, 15399. Mai 5, 2017. DOI: 10.1038/ncomms15399
Kontaktadresse:
Prof. Frédéric Guillaume
Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften
Universität Zürich
Winterthurerstrasse 190
CH-8057 Zürich
mediarelations@kommunikation.uzh.ch
Tel: +41 (0)44 635 66 23
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