16.5.2017: Forschung international
Urbanisierung kostete Millionen Jahre Evolutionsgeschichte
L’urbanisation a anéanti des millions d’années d’évolution
Sonja Knapp et al.
Wissenschaftler haben anhand historischer Daten gezeigt, dass sich die Pflanzenvielfalt in der Region Halle (D) in über 300 Jahren der Verstädterung erhöht hat. Allerdings ging dies mit einem Verlust an verwandtschaftlicher Vielfalt (oder Vielfalt phylogenetischer Entwicklungslinien) einher: Einheimische Arten aus verschiedensten Pflanzenfamilien starben regional aus und wurden durch enger verwandte Arten ersetzt. Damit sind Millionen Jahre Evolutionsgeschichte verloren gegangen.
Des scientifiques ont montré grâce à des données historiques que la diversité des plantes de la région de Halle (D) a augmenté en 300 ans d’urbanisation. Cependant, ceci s’est déroulé en parallèle avec une perte de la diversité relationnelle (ou diversité des lignées évolutives phylogénétiques) : des espèces indigènes de différentes familles de plantes se sont éteintes régionalement et ont été remplacées par des espèces plus étroitement apparentées. Ainsi, des millions d’années d’histoire de l’évolution ont été perdues.
Die verwandtschaftliche Vielfalt von Pflanzen (oder Vielfalt unterschiedlicher phylogenetischer Entwicklungslinien) gilt als wichtige Grundlage der Stabilität von Ökosystemen. Sie fördert die Vielfalt anderer Organismen und kann die Produktion von Biomasse steigern.
Die Wissenschaftler benutzten als Datengrundlage für ihre Studie Artenlisten von Botanikern seit dem 17. Jahrhundert sowie Daten aus Herbarien.
Anhand der umfassenden Datenmengen zeigten die Forscher, dass die Zahl der Pflanzenarten in Halle zwischen dem Ende des 17. Jahrhunderts und dem Beginn des 21. Jahrhunderts deutlich von 711 auf 860 Arten gestiegen ist. Zugleich sank allerdings die verwandtschaftliche Vielfalt der Pflanzen: Einheimische Arten aus verschiedensten Pflanzenfamilien starben regional aus und wurden durch enger verwandte Arten ersetzt. Dazu zählen sowohl häufige einheimische Arten als auch gebietsfremde Arten, die aus anderen Regionen der Welt stammen. Als die Forscher die Summe aller verlorenen Astlängen im Stammbaum (ein Mass für die Verwandtschaft der Arten) berechneten, kamen sie zu dem Ergebnis, dass im Raum Halle Millionen Jahre Evolutionsgeschichte verloren gegangen sind. So stark sank die berechnete verwandtschaftliche Vielfalt.
Zusätzlich zu diesem Rückblick in die vergangenen drei Jahrhunderte wagten die Wissenschaftler einen Blick in die Zukunft: Das Team berechnete, wie sich die aktuelle verwandtschaftliche Vielfalt der halleschen Flora ändern würde, wenn zum einen Pflanzen der Roten Liste aus Halle verschwinden würden und zum anderen die in Deutschland häufigsten gebietsfremden Arten, die es in Halle noch nicht gibt, dort einwandern würden. Die verwandtschaftliche Vielfalt wird sehr wahrscheinlich weiter sinken.
Wie viele Millionen Jahre Evolutionsgeschichte verloren gehen müssen, damit Ökosysteme instabil werden, ist bislang ungeklärt. Die Wissenschaftler plädieren daher für einen vorsorgenden Schutz der biologischen Vielfalt. Da der Verlust der verwandtschaftlichen Vielfalt in Halle primär durch den Verlust einheimischer Arten getrieben wurde - darunter viele Arten, die auf nährstoffarme und kühle Lebensräume angewiesen sind – fordern die Forscher für einen verstärkten Schutz dieser Arten und ihrer Lebensräume.
Quelle: Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Keywords:
Urbanisierung; Evolution; Pflanzenvielfalt; verwandtschaftliche Vielfalt
Art der Publikation:
Bericht
Literatur:
Knapp S., Winter M., Klotz S. (2016): Increasing species richness, but decreasing phylogenetic richness and divergence over a 320-year period of urbanisation. J. Appl. Ecol. DOI 10.1111/1365-2664.12826.
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/1365-2664.12826/full
https://www.ufz.de/index.php?de=36336&webc_pm=13/2017
Kontaktadresse:
Dr. Sonja Knapp
UFZ-Department Biozönoseforschung
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
Permoserstraße 15
D-04318 Leipzig
sonja.knapp@ufz.de
Tel: +49 (0)345 558 5308
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