12.1.2017: Forschung international

Intensivierung der Landwirtschaft vereinheitlicht Ökosysteme

L'intensification de l'agriculture uniformise les écosystèmes



Martin M. Gossner et al.

Wo Menschen Grünlandflächen intensiver bewirtschaften, nimmt nicht nur die Artenvielfalt ab, sondern die Landschaft wird insgesamt eintöniger; schliesslich bleiben überall die gleichen Arten übrig. Dies belegt eine neue Studie, die über 300 Wissenschaftler veröffentlicht haben. Die Vereinheitlichung gefährdet Ökosystemleistungen wie die Bodenbildung für die Nahrungsproduktion oder die natürliche Schädlingsbekämpfung.

Quand les prairies sont exploitées de manière intensive, non seulement la diversité des espèces diminue, mais le paysage devient aussi plus monotone; partout ne subsistent plus que les mêmes espèces. C'est ce que montre une nouvelle étude publiée par plus de 300 scientifiques. L'uniformisation met en danger des services écosystémiques telles que la formation des sols pour la production d'aliments ou la lutte naturelle contre les ravageurs.


Das Forscherkonsortium hat erstmals die Konsequenzen intensiverer Landnutzung über die verschiedensten Artengruppen hinweg auf einer grossen räumlichen Skala untersucht. Die Daten werden seit 2008 im Rahmen eines deutschen Schwerpunktprojektes auf 150 Grünlandflächen erhoben. Es sind die wohl umfassendsten ökologischen Freilandversuchsflächen in Europa.
Die Versuchsflächen, die in zwei Biosphärenreservaten sowie einem Nationalpark in Deutschland liegen, unterscheiden sich in Klima, Geologie sowie Topografie. Alle werden aber von Landwirten in einer für Europa typischen Weise bewirtschaftet. Mehr als 4000 Arten haben die Wissenschaftler mit einem neuartigen statistischen Verfahren analysiert, mit dem sie die Auswirkungen von Grasschnitt, Düngung und Beweidung auf die Ähnlichkeit der Arten auf verschiedenen Flächen verfolgen können.
Erstmals berücksichtigten die Forschenden auch Bodenorganismen wie Bakterien, Pilze und Tausendfüssler – damit sind alle Artengruppen entlang der Nahrungskette vertreten. Bisher waren in vergleichbaren Studien nur einzelne Artengruppen wie Vögel innerhalb eines Lebensraumes und nur auf einer bestimmten Fläche untersucht worden. Mit ihrem einzigartigen Datensatz konnten die Forschenden zum ersten Mal statistisch belegen, dass durch die Intensivierung alle Wiesen eine nahezu gleiche Artenzusammensetzung aufweisen und nur noch Lebensraum für einige wenige Arten bieten.
Dabei war es egal ob Grünlandflächen moderat oder intensiv bewirtschaftet wurden, also ob zum Beispiel Gras zwei oder viermal pro Jahr geschnitten wurde. Schon bei einer moderaten Bewirtschaftung von Grünland reduzieren sich die Artengemeinschaften überregional auf die gleichen, wenig anspruchsvollen Generalisten. Eine weitere Nutzungsintensivierung verstärkt die Artenangleichung kaum noch.
Den Grund dafür illustriert das Beispiel des Kriechenden Hauhechels (Ononis repens), einer Wirtspflanze der Weichwanze (Macrotylus paykulli). Diese saugt den Saft aus der Pflanze und frisst gelegentlich auch Insekten, die an den Drüsenhaaren der Pflanze kleben bleiben. Wird der Hauhechel durch gewöhnliche Grasarten mit hohem Futterwert ersetzt, entzieht dies der Wanze die Lebensgrundlage und so sterben beide letztendlich aus. Dieses Beispiel zeigt, warum viele Tier- und Pflanzenarten bereits bei geringer Intensivierung der Wiesen- und Weidennutzung verschwinden.
Es bleiben nur noch jene Allrounder-Arten übrig, die keine allzu grossen Ansprüche an spezielle Futterpflanzen und Umweltbedingungen stellen. Damit wird die Landschaft eintönig, sehr unterschiedliche Blumenwiesen, die wiederum unterschiedlichsten Insekten Nahrung und Lebensraum boten, weichen homogenen Einheitswiesen. Hauptgrund für diese sogenannte Biotische Homogenisierung ist die Intensivierung der Mahd.
Zum Schutz der Artenvielfalt wären mehr extensiv bewirtschaftete Grünlandflächen unerlässlich. Nur wenn möglichst viele Arten über grössere Flächen hinweg den für sie speziell notwendigen Lebensraum finden, funktioniert die natürliche Schädlingsbekämpfung oder die Bodenbildung. Und dies kommt direkt dem Wohl des Menschen zugute.

Quelle: WSL

Keywords:
Landwirtschaft, Grünland, Intensivierung, Boden, Homogenisierung

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
Gossner M.M. et al. (2016): Land-use intensification causes multitrophic homogenization of grassland communities, Nature. DOI: doi:10.1038/nature20575
http://www.nature.com/nature/journal/v540/n7632/full/nature20575.html
http://www.wsl.ch/medien/news/intensive_landwirtschaft/index_DE

Kontaktadresse:
Dr. Martin Gossner
Eidg. Forschungsanstalt WSL
Zürcherstrasse 111
CH-8903 Birmensdorf
Martin.gossner@wsl.ch
Tel: +41 (0)44 739 25 88


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