12.1.2017: Forschung international
Bestäuber in Bedrängnis
Pollinisateurs en détresse
Simon G. Potts et al.
Bestäuber stehen weltweit stark unter Druck. Vor den ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Bestäuberrückgangs warnt ein internationales Forscherteam.
Les polinisateurs font face à de nombreuses menaces dans le monde entier. Une équipe internationale de chercheurs met en garde face aux conséquences écologiques, économiques et sociales de cette évolution.
Weltweit ist ein ganzes Heer von Insekten und anderen Tieren damit beschäftigt, Pollen von einer Pflanze zur nächsten zu tragen und so die Blüten zu bestäuben. Bestäuber sind nicht nur wirtschaftlich wichtig, weil sie für bessere Ernten in der Landwirtschaft sorgen. Auch viele Wildpflanzen sind auf ihre Dienste angewiesen, um sich vermehren zu können.
Naturwissenschaftler können die Bedeutung dieser wertvollen Helfer mit eindrucksvollen Zahlen belegen. Insgesamt sind fast 90 Prozent aller wildwachsenden Blütenpflanzen der Erde auf tierische Besucher angewiesen. Das Gleiche gilt für mehr als 75 Prozent der Nutzpflanzen. Ohne den Bestäubungsservice würde die Ernte der meisten Früchte, Samen und Nüsse zum Beispiel deutlich dürftiger ausfallen. Diese aber sind die Hauptlieferanten von Mikronährstoffen wie Vitamin A und C, Kalzium und Folsäure, die für eine ausgewogene Ernährung wichtig sind. Ein Verschwinden der Bestäuber könnte nach Einschätzung der Forscher daher global gesehen zu Gesundheitsproblemen führen. Sie befürchten in diesem Fall zum Beispiel häufigere Erkrankungen der Herzkranzgefässe.
Dazu kommen die massiven wirtschaftlichen Einbussen. Geschätzte fünf bis acht Prozent der weltweiten Ernten würden ohne die Bestäuber verloren gehen. Betroffen wären auch wertvolle Welthandelsprodukte wie Kakao, Kaffee oder Mandeln, die in etlichen Ländern Millionen von Arbeitsplätzen schaffen. Insgesamt halten die Experten wirtschaftliche Verluste zwischen 235 und 577 Milliarden US-Dollar pro Jahr für realistisch. Die Tendenz ist dabei eher steigend. Denn die Abhängigkeit der Landwirtschaft von den Blütenbesuchern nimmt zu. Weltweit ist die Produktion von auf Bestäubung angewiesenen Nutzpflanzen in den letzten 50 Jahren um 300 Prozent angestiegen.
Grund genug also, die aktuelle Lage der Blütenbesucher genauer unter die Lupe zu nehmen. Die vorhandenen Daten lassen für die wildlebenden Bestäuber nichts Gutes vermuten. Die besten Informationen gibt es derzeit über die bestäubenden Wirbeltiere, zu denen vor allem Vögel und Fledermäuse gehören. Mehr als 16 Prozent dieser Arten sind nach Einschätzung der Weltnaturschutzunion IUCN weltweit vom Aussterben bedroht.
Deutlich wichtigere Bestäuber sind in den meisten Lebensräumen allerdings die Insekten. Und auch da gibt es bedenkliche Entwicklungen. Massive Rückgänge verzeichnen Biologen zum Beispiel bei der Franklin-Hummel im Westen der USA, der Cullumanus-Hummel in Europa und der Riesenhummel im südamerikanischen Patagonien. Doch nicht nur die Anzahl der Hummeln reduziert sich. Insgesamt gelten in Europa bereits neun Prozent aller Bienen- und neun Prozent aller Schmetterlingsarten als gefährdet.
Zu diesem Rückgang der Bestäuber hat wahrscheinlich eine ganze Reihe von Faktoren beigetragen, so die Forschenden. Einige Arten leiden unter Krankheiten, andere unter eingeschleppten Konkurrenten und Feinden aus Übersee. So hat die nordamerikanische Wespenart Vespula pensylvanica einheimische Bienenarten auf Hawaii ausgerottet, ein aus dem Südosten der USA stammendes Reptil namens Rotkehl-Anolis hat die Zahl der Bienen der japanischen Inselgruppe Ogasawara dezimiert. Und viele Bestände der patagonischen Riesenhummel mussten sich stärkerer Konkurrenz geschlagen geben, als in ihrer Heimat Dunkle Erdhummeln und Feldhummeln aus Europa eingeführt wurden.
Ungünstig beginnt sich in einigen Fällen auch der Klimawandel auszuwirken. So können die meisten Hummeln in Europa und Nordamerika offenbar nicht so schnell neue Lebensräume im kühleren Norden besiedeln wie sie im Süden an Territorium verlieren. Dadurch schrumpft ihr Verbreitungsgebiet. Dieser Trend dürfte sich nach Einschätzung der Forscher in den nächsten Jahrzehnten verstärken und auch viele andere Blütenbesucher erfassen.
Immer noch leiden die meisten der nützlichen Helfer aber vor allem unter der Intensivierung der Landwirtschaft. Die blütenreichen Wiesen und Feldsäume sind vielerorts verschwunden – abgelöst durch monotone Agrarlandschaften, in denen Insekten zu wenig Nahrung und Nistmöglichkeiten finden. Dazu kommt der Einsatz von Pestiziden. Etliche davon, wie etwa die Neonicotinoide, können Bestäuber direkt töten. Sie schaden ihnen aber auch indirekt, weil sie ihr Verhalten verändern und ihre Gesundheit beeinträchtigen. Auch Herbizide, die zur Unkrautbekämpfung eingesetzt werden, können zum Problem werden. Denn sie reduzieren das Angebot an Blütenpflanzen, die Pollen und Nektar für ihre Besucher bereitstellen.
Quelle: Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ
Keywords:
Bienen, Bestäuber, Ökosystemleistungen, Rückgang
Art der Publikation:
Fachpublikation
Literatur:
Potts S.G. et al. (2016): Safeguarding pollinators and their values to human well-being, Nature, Advance Online Publication vom 28.11.2016. DOI: 10.1038/nature20588.
http://www.nature.com/nature/journal/v540/n7632/full/nature20588.html
Kontaktadresse:
Prof. Dr. Josef Settele
UFZ-Department Biozönoseforschung
Th.-Lieser-Str. 4
D-06120 Halle
josef.settele@ufz.de
Zurück zur Liste