6.9.2004: Forschung CH
Genetische Vielfalt: Probleme bei kleinen Eibenbeständen
Karin Hilfiker
Alle reden von Biodiverstität, aber kaum jemand denkt dabei an die Vielfalt der Baumarten. Entsprechend gering ist das Wissen über die kleinen, oft isolierten Bestände seltener Waldbäume, zu denen auch die Eibe gehört. Eine molekulargenetische Untersuchung in Schweizer Eibenbeständen zeigte: Je kleiner die Population, desto geringer die genetische Variation, und desto grösser der Anteil weiblicher Eiben.
In Mitteleuropa weist die Schweiz die bedeutendsten Vorkommen der zweihäusigen Eibe (Taxus baccata) am Alpennordfuss auf. Allerdings ist auch hier ein Rückgang der Eibe, insbesondere wegen fehlender Verjüngung, zu verzeichnen. Dies gab dazu Anlass, die folgenden Fragen zu untersuchen: (1) Besteht ein Zusammenhang zwischen der Populationsgrösse und dem Geschlechterverhältnis, der genetischen Variation sowie der genetischen Drift innerhalb von Populationen? (2) Beeinflusst die geographische Distanz die genetische Differenzierung zwischen Eibenpopulationen innerhalb und zwischen verschiedenen Regionen der Schweiz? In vier Regionen (Jurasüdfuss, Albiskette, Hörnli-Bodensee und Oberwallis) wurden insgesamt acht grosse (> 200 Individuen) und sieben kleine (< 100 Individuen), räumlich gut abgegrenzte Populationen untersucht. Das Geschlechterverhältnis wurde in grossen Populationen an 100 Individuen und in kleinen Populationen an allen Individuen bestimmt. Von insgesamt 284 Individuen wurden Nadelproben entnommen und mit vier Primern eine RAPD-PCR-Untersuchung gemacht. Dies ergab folgende Ergebnisse. (1) Je kleiner eine Population war, desto stärker wich ihr Geschlechterverhältnis von 1:1 ab. Die Abweichung stellte sich – mit einer Ausnahme – zu Gunsten der Weibchen ein. (2) Es gab eine positive Korrelation zwischen Populationsgrösse und genetischer Variation innerhalb der Populationen. (3) Kleine Populationen zeigten stärkere Drift als grosse Populationen. (4) Die Nordschweizer Regionen differenzierten sich nicht untereinander und auch nur schwach von den geographisch isolierten Populationen des Oberwallis. Die kleine Walliser Population wies zu allen anderen untersuchten Populationen die höchsten Differenzierungswerte auf. Diese Resultate lassen den Schluss zu, dass die Nordschweizer Populationen zumindest historisch einen einzigen grossen, über Genfluss verbundenen Genpool bildeten. In der kleinen Walliser Population dürften genetische Drifteffekte besonders stark gewirkt haben. Auch für die kleinen Eibenpopulationen der Nordschweiz konnte Drift im Geschlechterverhältnis, in der genetischen Variation und in der Multilocus-Genotyp-Zusammensetzung nachgewiesen werden. Es drängen sich somit waldbauliche Förderungsmassnahmen für die Eibe auf, um den bestehenden Genfluss zwischen den Regionen aufrecht zu erhalten.
Keywords:
Genetische Vielfalt, Genfluss, Geschlechterverhältnis, Populationsgrösse, Taxus baccata
Art der Publikation:
Diplomarbeit
Literatur:
Hilfiker K., Holderegger R., Rotach P., Gugerli F. (2004). Dynamics of genetic variation in Taxus baccata: local versus regional perspectives. Canadian Journal of Botany 82, 219-227.
Hilfiker K., Ulber M., Gugerli F., Rotach P., Bonfils P., Holderegger R. (2004). Comment promouvoir et régénérer l'if en Suisse. La Fôret 2004, 11-13.
Hilfiker K., Gugerli F., Schütz J.-P., Rotach P., Holderegger R. (2004). Low RAPD variation and female-biased sex ratio indicate genetic drift in small populations of the dioecious conifer Taxus baccata in Switzerland. Conservation Genetics 5, 357-365.
Hilfiker K., Ulber M., Gugerli F., Rotach P., Bonfils P., Holderegger R. (2003). Mehr Weibchen als Männchen. Wald und Holz 2, 44-46.
Hilfiker K. (2002). Untersuchungen zur genetischen Struktur der Eibe in der Schweiz. Diplomarbeit, WSL/ETH Zürich, 30 S.
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