15.9.2016: Forschung CH

Neuer Ansatz für Umwelttest von Nutztiermedikamenten

Nouvelle approche pour tester l'impact environnemental des médicaments pour animaux de rente



Nicole Adler et al.

Nutztiermedikamente können Dung abbauende Nützlinge schädigen, weshalb neu entwickelte Wirkstoffe im Labor an einzelnen Tierarten getestet werden müssen. Evolutionsbiologen der Universität Zürich hinterfragen die Zuverlässigkeit solcher Laboruntersuchungen. Zusammen mit einer internationalen Gruppe von Forschenden schlugen sie vor, die Medikamententests auf eine repräsentative Auswahl aller Dung abbauenden Organismen auszudehnen – idealerweise in ihrer natürlichen Umgebung. Freilandtests mit dem Parasiten-Medikaments Ivermectin an vier klimatisch unterschiedlichen Standorten verliefen erfolgreich. Die Wissenschaftler legen damit einen neuen Ansatz für ausgereiftere Umweltverträglichkeitstests von Nutztiermedikamenten vor.

Les médicaments pour animaux de rente peuvent porter atteinte aux auxiliaires décomposeurs d’excréments et doivent être testés en laboratoire sur diverses espèces animales. Des biologistes de l'évolution de l'Université de Zurich questionnent la fiabilité de tels examens en laboratoire. En collaboration avec un groupe international de chercheurs, ils ont proposé d'étendre le test des médicaments sur une sélection représentative d'organismes décomposeurs d'excréments - idéalement dans leur milieu naturel. Des essais en champs dans trois conditions climatiques différentes avec l’Ivermectin, un médicament contre les parasites, se sont déroulés avec succès. Les scientifiques proposent ainsi une nouvelle approche plus sophistiquée pour l’étude de l’impact environnemental de médicaments pour animaux de rente.


Eine zu hohe Dosierung (etwa von Ivermectin, einem Parasiten-Medikament) schädigt Dungorganismen. Die Giftigkeit neuer Nutztiermedikamente muss deshalb mittels ökotoxikologischer Tests an einzelnen Tierarten wie der Grossen Gelben Dungfliege, der Stallfliege oder am Dungkäfer überprüft werden. Dabei wird untersucht, welche Dosis für die Hälfte der sich entwickelnden Maden tödlich wirkt (LD50-Test). Es ist allerdings bekannt, dass die Empfindlichkeit gegenüber giftigen Substanzen selbst bei nah verwandten Dungorganismen stark variiert. Es stellt sich deshalb die Frage, wie repräsentativ die Reaktion einzelner Tierarten bei solchen Labortests ist. Denn das Risiko ist gross, dass empfindlichere Arten weiterhin durch die Substanz geschädigt werden und wichtige Ökosystemfunktionen langfristig Schaden nehmen.
Eine internationale Gruppe von Forschenden hat deshalb vorgeschlagen, die Medikamententests auf eine repräsentative Auswahl aller Dung abbauenden Organismen auszudehnen – idealerweise in ihrer natürlichen Umgebung. Sie legen nun einen neuen erfolgreichen Ansatz für einen umfassenderen ökotoxikologischen Test im Freiland vor. Die Studie liefert ausserdem wichtige Einsichten zur Risikominimierung von Medikamentenrückständen in der Natur.
Für ihre Machbarkeitsstudie benutzten die Wissenschaftler Rinderweiden in der kanadischen Prärie sowie der südfranzösischen, niederländischen und schweizerischen Agrarlandschaft – vier Standorte mit unterschiedlichen klimatischen Bedingungen. Auf diesen Weiden verteilten sie Dungfladen mit unterschiedlicher Konzentration von Ivermectin. Insgesamt nahmen erwartungsgemäss die Anzahl und Diversität der Dungkäfer, Dungfliegen und Schlupfwespen mit zunehmender Ivermectin-Konzentration signifikant ab. Doch nicht wenige Arten stellten sich als unempfindlich heraus. Die unter den Kuhfladen im Boden lebenden Regenwürmer und Springschwänze wurden von den Medikamentenrückständen nicht nennenswert tangiert. Ein Parallelversuch zeigte schliesslich, dass der Dungabbau nicht signifikant beeinträchtigt wurde. Offenbar konnten nicht so stark vom Medikament betroffene Nützlinge wie etwa Regenwürmer den Ausfall anderer Organismen kompensieren.
Ungeachtet der unterschiedlichen Umweltbedingungen und Methodendetails waren die Resultate in den vier Habitaten sehr ähnlich und reproduzierbar. Der Freilandansatz war somit erfolgreich und ist prinzipiell empfehlenswert. Die zuständigen Regulierungsbehörden, etwa die European Medicines Agency EMA, müssen nun entscheiden, ob dieser aussagekräftigere aber auch aufwändigere Test in Zukunft vorgeschrieben wird. Der Aufwand für die Bestimmung der zahlreichen Tierarten ist sehr gross und ohne biologisches Expertenwissen nicht möglich. Eine genetische Artenbestimmung über sogenanntes DNA-Barcoding –denn jede Tierart hat einen einzigartigen Fingerabdruck – ist im Prinzip möglich und in Zukunft wahrscheinlich günstiger. Sie setzt jedoch die Erstellung einer vollständigen Datenbank für Dungorganismen voraus, die aber noch nicht existiert.

Quelle: Universität Zürich

Keywords:
Dungfauna, Ökosystemleistungen, Tiermedikamente, Insekten, Biodiversität

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
Adler N. et al. (2016): Effects of ivermectin application on the diversity and function of dung and soil fauna: Regulatory and scientific background information. Environmental Toxicology and Chemistry. DOI: 10.1002/etc.3308
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/etc.3308/abstract

Kontaktadresse:
Prof. Dr. Wolf Blanckenhorn
Evolutionsbiologie & Umweltwissenschaften
Universität Zürich-Irchel 34-J-26
Winterthurerstrasse 190
CH-8057 Zürich
Wolf.blanckenhorn@uzh.ch
Tel: +41 (0)44 635 47 55


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