6.9.2004: Forschung CH

Wieso sind invasive Arten so erfolgreich?




Müller-Schärer H., Schaffner U., Steinger T.

Die Invasion durch gebietsfremde Arten ist heute einer der Hauptfaktoren für die Reduktion der globalen Biodiversität. Dies hat aber nicht nur ökologische, sondern auch wirtschaftliche Folgen. Die Forschungsgruppe «Überleben der Pflanzen» des Nationalen Forschungsschwerpunkts ist über das Ausmass des Phänomens in Europa beunruhigt.


Japanischer Stauden-Knöterich, Riesen-Bärenklau oder Goldrute: hinter diesen scheinbar poetischen Namen verbergen sich in Wirklichkeit drei Problemunkräuter. Diese aus fremden Gegenden stammenden Arten wurden als Samen für Zierpflanzen in die Schweiz eingeführt und haben hier schnell fruchtbaren Boden gefunden. In den Vereinigten Staaten sind die durch exotische Pflanzen verursachten Schäden Besorgnis erregend. Die Verluste in der Landwirtschaft belaufen sich dort pro Jahr auf etwa 50 Milliarden Schweizer Franken.

In einem in der angesehenen Zeitschrift «Trends in Ecology and Evolution» (TREE) erschienenen Artikel zeigt sich die Gruppe «Überleben der Pflanzen» des Nationalen Forschungsschwerpunkts Plant Survival, das der Universität Freiburg und dem Biologie-Forschungszentrum von CABI in Delsberg (JU) angegliedert ist, über das Phänomen beunruhigt. Sie stellt fest, dass in Europa zu wenig Studien durchgeführt würden um abzuklären, weshalb diese mehrjährigen Pflanzen in ihrem neuen Lebensraum sehr dichte Monokulturen bilden und gar Landwirtschaftsland besiedeln.

Heinz Müller-Schärer, Urs Schaffner und Thomas Steinger stellen mehrere Hypothesen auf, um die ökologischen Ursachen dieser Ausbreitung besser zu verstehen. Sie beabsichtigen zudem, Insekten oder Krankheitserreger zu identifizieren, die fähig sind, die Ausbreitung der invasiven Pflanzen zu bremsen, dabei aber Auswirkungen auf nicht anvisierte Arten soweit wie möglich zu begrenzen. In diesem Forschungsgebiet – der sogenannten biologischen Bekämpfung – ist das Zentrum CABI in Delsberg führend. Das Problem der invasiven Pflanzen betrachten die drei Forscher als ein ideales Thema, um Erfahrungen im grossen Massstab zu sammeln, die sich um grundlegende Fragen der Ökologie und der Evolution drehen.

In ihrer natürlichen Umwelt werden alle Pflanzen durch eine Vielzahl natürlicher Feinde angegriffen. Dazu gehören Säugetiere (Vieh), Insekten, Schnecken sowie Krankheitserreger (Pilze, Bakterien und Viren). Wenn Pflanzen in einen neuen Lebensraum auftauchen, fehlen Feinde, die darauf spezialisiert sind, sich von ihnen zu ernähren. Die Kontrolle dieser Pflanzenarten Pflanzen beruht deshalb auf nicht spezialisierte, pflanzenfressende Insekten. Weil sich die Pflanzen weniger gegen ihre natürlichen Feinde verteidigen müssen, können sie ihre Energieressourcen nutzen, um besser zu wachsen oder ihre Reproduktionskraft zu optimieren. Dadurch dass diese Pflanzen ihre Schutzmechanismen herabsetzen, bieten sie eine Angriffsfläche für Substanzen der biologischen Kontrolle. Ein Beispiel ist der Blutweiderich (Lythrum salicaria), der aus Europa in Nordamerika als Zierpflanze eingeführt wurde. Bis heute ist dieses Unkraut in über 400 km2 Feuchtgebiet eingedrungen und in jedem Staat der USA, ausser in Florida, vorhanden. Die Einführung natürlicher Feinde aus Europa erlaubte, die Pflanze auf ausgedehnten Flächen zu eliminieren. Der Erfolg ist zweifellos durch eine Verringerung ihrer natürlichen Schutzmechanismen begünstigt worden. Die Erhöhung der Reproduktionskraft kann anhand des folgenden Beispiels illustriert werden. Die aus Europa stammende und gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Nordamerika eingeführte Gefleckte Flockenblume (Centaurea maculosa) blüht dort in ihrem Lebenszyklus mehrere Male, statt nach der ersten Blüte zu sterben. Diese Tendenz kann jedoch umgekehrt werden: seit 1982 sind vier pflanzenfressende Insektenarten ausgesetzt worden, die sich ausschliesslich von den Wurzeln dieser Distelart ernähren. Sie konnten anschliessend ein erneutes Blühen der Pflanze verhindern. Eine gute Nachricht, wenn man weiss, dass diese Pflanze auf dem amerikanischen Kontinent noch eine Fläche grösser als die Schweiz bedeckt. Auf dieser Fläche ist sie für 70% der Verluste der Heuproduktion verantwortlich.

Keywords:
Invasive Arten, gebietsfremde Arten, Japanischer Stauden-Knöterich, Riesen-Bärenklau, Goldrute

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
Müller-Schärer H., Schaffner U., Steinger T. (2004). Evolution in invasive plants: implications for biological control. TRENDS in Ecology and Evolution19, 417-422
http://www.cabi.org

Kontaktadresse:
Prof. Heinz Müller-Schärer, Departement Biologie/Ökologie & Evolution, Universität Freiburg/Pérolles, CH-1700 Fribourg.
heinz.mueller@unifr.ch
Tel: ++41 (0)26 300 88 35/50


Zurück zur Liste