13.6.2016: Forschung international

Klimawandel verändert Artengemeinschaft in der Nordsee

Le changement climatique modifie les communautés d'espèces dans la Mer du Nord



Michael Weinert et al.

Im Jahr 2099 wird es in der Nordsee deutlich weniger der heute einheimische Arten geben – dies prognostizieren Forschende in einer Studie. Durch die Erhöhung der Wassertemperatur und des Salzgehaltes werden laut den Modellierungen über 60 Prozent der bodenlebenden heimischen Fauna ihren Lebensraum in der Nordsee verlieren. Etwa zwei Drittel der untersuchten Tiere zieht es nach Norden. Das Wissenschaftlerteam geht davon aus, dass die freiwerdenden Lebensräume zukünftig von einwandernden Arten besetzt werden.

D’après les pronostiques publiés par des chercheurs, il y aura nettement moins d’espèces aujourd'hui indigènes dans la Mer du Nord en 2099. A cause de l’augmentation de la température de l’eau et de la teneur en sel, plus de 60 pourcent de la faune indigène des fonds marins perdront leur milieu de vie. Environ deux tiers des animaux étudiés seront repoussés vers le Nord. Le groupe de scientifiques part du principe que les milieux devenus libres seront colonisés par des espèces nouvelles.


Das Wissenschaftlerteam zeigt in seiner Studie, dass der globale Klimawandel und die damit verbundene Erhöhung der Wassertemperatur und des Salzgehaltes für 49 der 75 untersuchten Benthos-Arten den Verlust ihres Lebensraumes bedeuten. Etwa 65 Prozent der auf dem Nordseeboden lebenden Organismen sind zwar weiterhin in der Nordsee zu finden, verlagern aber laut den Modellierungen ihren Lebensraum nordwärts. Bei der im Sediment lebenden Fauna sind es sogar 77 Prozent der untersuchten Arten, die aufgrund der erhöhten Temperaturen den Weg gegen Norden einschlagen.
Grundlage für die Modellierungen der Meeresbiologen sind Modelldaten für Wassertemperatur und Salinität basierend auf einem Szenario des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). Das Modell geht von einer Erhöhung der Wassertemperatur um bis zu 5,4 Grad Celsius und der Salinität von durchschnittlich 1,7 Prozent aus.
In der Deutschen Bucht und der südlichen Nordsee wird es einen massiven Verlust der heimischen Fauna und wichtiger «Ökosystem-Ingenieure» geben – mit Konsequenzen für die gesamte Flora und Fauna der Nordsee, so die Forschenden. Fehlt beispielsweise der Seeigel Echinocardium cordatum, wird das Sediment weniger durchwühlt, organisches Material weniger abgebaut und der Sauerstoffgehalt im Meeresboden sinkt. Der Verlust solcher «Ökosystem-Dienstleister» kann dazu führen, dass die Nordsee weitere menschliche Einflüsse nicht mehr abpuffert, die Wasserqualität sinkt und die Bestände von kommerziell gefangenen Fischen zurückgehen. Erwartet wird zudem, dass sich einwandernde Arten in den freigewordenen Lebensräumen ansiedeln. Die durchschnittliche Wintertemperatur der Nordsee hat sich in den letzten 25 Jahren bereits um etwa 1,6 Grad erhöht. Möglich, dass die von den Forschenden modellierten Verschiebungen der Verbreitungsgebiete schon früher eintreffen, als bisher angenommen.

Quelle: Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

Keywords:
Klimawandel; Meer; Artenvielfalt; Ökosystemleistungen

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
Weinert M. et al. (2016): Modelling climate change effects on benthos: Distributional shifts in the North Sea from 2001 to 2099. Estuarine, Coastal and Shelf Science 175, 157-168.
http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0272771416300932

Kontaktadresse:
Prof. Dr. Ingrid Kroencke
Senckenberg am Meer
Südstrand
D-26382 Wilhelmshaven
ingrid.kroencke@senckenberg.de


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