11.4.2016: Forschung international

Regionales Wiesen-Saatgut mit zahlreichen Vorteilen

Les nombreux avantages des semences de prairies régionales



Walter Durka et al.

Um wieder mehr artenreiche und bunte Wiesen zu schaffen, muss man die entsprechenden Pflanzenarten vielfach einsäen. Doch mit welchen Samen? In Deutschland haben Ökologen gezeigt, dass regionales Saatgut zahlreiche Vorteile hat: Die Pflanzen wachsen besser (mehr Biomasse und Blütenstände), sie reagieren weniger empfindlich gegenüber höheren Temperaturen als eingeführte Pflanzen aus dem Süden und ihr Blühtermin ist besser an regionale Gegebenheiten angepasst.

Pour obtenir davantage de prairies riches en espèces et multicolores, il est souvent nécessaire de semer les plantes correspondantes. Mais avec quelles graines? En Allemagne, des écologues ont montré les nombreux avantages des semences régionales : les plantes poussent mieux (plus de biomasse et d’inflorescences), elles réagissent sensiblement moins aux températures élevées que les plantes importées du sud et leurs périodes de floraison sont mieux adaptées aux conditions régionales.


Die Forschenden haben 7 häufige Wiesenpflanzen untersucht, die aus 8 der 22 deutschen Herkunftsgebiete stammten. Bei allen Arten haben sie genetische Unterschiede zwischen den Regionen gefunden. Wie gross diese sind, hängt allerdings von der Biologie der jeweiligen Pflanze ab.
Gräser, die vom Wind bestäubt werden und sich nicht selbst befruchten können, tauschen ihre Erbinformationen zum Beispiel über relativ grosse Entfernungen aus. Ein ganz anderes Bild bot sich dagegen bei der Kuckucks-Lichtnelke. Diese Art lässt ihren Pollen von Insekten verteilen – mitunter sogar zwischen Blüten der gleichen Pflanze. Zudem ist sie deutlich seltener als der Glatthafer. Das alles führt zu einem geringen Genfluss und damit zu grossen genetischen Unterschieden zwischen den Populationen. Bei einigen Arten wie etwa dem Weissen Labkraut haben die Forscher zudem einen deutlichen Trend festgestellt: Je grösser die Entfernung und je unterschiedlicher das Klima zwischen zwei Herkunftsregionen ist, umso deutlicher fallen auch die genetischen Unterschiede aus. Ein deutliches Indiz dafür, dass diese Pflanzen regional angepasst sind. Sie sollten also in der Nähe ihrer ursprünglichen Heimat besser zurechtkommen als in anderen Teilen Deutschlands.
Ob das tatsächlich so ist, hat das Team im Rahmen einer zweiten Studie getestet. Dazu haben die Forscher die 7 Arten aus den 8 Regionen in Freising, Tübingen, Halle und Münster ausgesät und beobachtet, wie gut sie jeweils wuchsen und wann sie blühten. Bei vielen der untersuchten Wiesenarten war es tatsächlich so, dass Pflanzen regionaler Herkunft besser wuchsen. So lieferten die regionalen Gewächse im Schnitt sieben Prozent mehr Biomasse und zehn Prozent mehr Blütenstände als Artgenossen, die aus anderen Gegenden stammten.
Auch die ungewöhnlich warmen Temperaturen im Versuchs-Sommer 2013 änderten daran nichts. Obwohl die Temperaturen in den Versuchsgärten im Jahr 2013 um 1,5 bis zwei Grad über dem langjährigen Mittel lagen, hatten die Gewächse aus wärmeren Regionen keinen Vorteil. Möglicherweise liegt das daran, dass nicht nur die Temperatur über besseres oder schlechteres Wachstum entscheidet. Auch die Tageslänge oder die Zusammensetzung der Mikroben-Gemeinschaften am jeweiligen Standort können zum Beispiel eine wichtige Rolle spielen. Und wenn die regionalen Gewächse an solche Faktoren besser angepasst sind, können sie ihren Vorteil offenbar auch in warmen Jahren ausspielen.
Doch nicht nur die Pflanze selbst profitiert von ihrer regionalen Anpassung. Die Forscher haben nämlich festgestellt, dass die einzelnen Varianten auch zu unterschiedlichen Zeiten blühen. Bei Wiesen-Flockenblumen verschiedener Herkunft lagen bis zu 17 Tage zwischen den Blühterminen, beim Weissen Labkraut sogar bis zu 23 Tage. Das ist aus ökologischer Sicht sehr viel. Schliesslich haben sich zahlreiche Tierarten von den Bestäubern über die Bewohner der Blütenköpfe bis zu den Samenfressern auf den regional üblichen Zeitplan eingerichtet. Es kann durchaus sein, dass diese ganze Lebensgemeinschaft in Schwierigkeiten kommt, wenn gebietsfremde Pflanzen zur falschen Zeit blühen. Noch ein Grund mehr, bei Saatgut auf Regionalität zu setzen.

Quelle: Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ)


Keywords:
Wiesen; Saatgut; Klimawandel; genetische Vielfalt



Literatur:
Durka W. et al. (2016): Genetic differentiation within multiple common grassland plants supports seed transfer zones for ecological restoration. Journal of Applied Ecology. DOI: 10.1111/1365-2664.12636

Bucharova A. et al. (2016): Genetic differentiation and regional adaptation among seed origins used for grassland restoration: lessons from a multispecies transplant experiment. Journal of Applied Ecology. DOI: 10.1111/1365-2664.12645
http://dx.doi.org/10.1111/1365-2664.12636
http://dx.doi.org/10.1111/1365-2664.12645

Kontaktadresse:
Dr. Walter Durka
UFZ-Department Biozönoseforschung
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH
UFZ
Permoserstraße 15
D-04318 Leipzig

walter.durka@ufz.de
Tel: +49 (0)345 5585 314


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