8.3.2016: Forschung CH
Artenreichtum in mittleren Höhenlagen lässt sich durch Topografie erklären
La richesse en espèces aux altitudes moyennes expliquée par la topographie
Enrico Bertuzzo et al.
Gebirge sind Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten. Den grössten Artenreichtum verzeichnen typischerweise mittlere Höhenlagen. Lange Zeit hatte die Wissenschaft keine schlüssige Erklärung dafür. Nun liefern neue Modellierungen eine Begründung: Die meisten Arten leben in mittleren Höhenlagen, weil dort ähnliche Lebensräume über grosse Flächen vorkommen und am stärksten miteinander verbunden sind. Diese Faktoren sind bei der Prognose künftiger Veränderungen zu berücksichtigen. Verschieben sich Arten in Folge der Anpassung an wärmere klimatische Bedingungen in höhere Lagen, treffen sie auf Lebensräume mit völlig anderen topografischen Gegebenheiten.
Les montagnes sont des milieux de vie de nombreuses espèces animales et végétales. La plus grande richesse en espèces se rencontre typiquement aux altitudes moyennes. Pendant longtemps, la science n’avait pas d’explication définitive pour ce phénomène. De nouvelles modélisations livrent désormais une explication: la plupart des espèces vivent aux altitudes moyennes parce que c’est l’endroit où les milieux similaires sont les plus grands en surfaces et les mieux reliés entre eux. Il s'agit de tenir compte de ces facteurs dans les pronostics de futurs changements. Si les espèces se déplacent vers des altitudes plus élevées pour s’adapter à des conditions climatiques plus chaudes, elles rencontrent des milieux avec des conditions topographiques totalement différentes.
Wie viele Arten in einer bestimmten Region nebeneinander existieren können, ist von zahlreichen Faktoren abhängig. In grossen Gebieten mit ähnlichen Eigenschaften finden sich in der Regel mehr Arten als in kleinen Gebieten. Sind mehrere ähnliche Lebensräume miteinander verbunden, erhöht sich die Biodiversität zusätzlich. In Gebirgsregionen spielen zudem Faktoren wie Temperatur, biologische Produktivität und Exposition eine grosse Rolle. Forschende der ETH Lausanne, der Universität Zürich und der Eidgenössischen Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz Eawag haben eine neue Erklärung dafür gefunden, weshalb der Artenreichtum in mittleren Höhenlagen am grössten ist.
In Gebirgsregionen bilden Gipfel und Täler isolierte Lebensräume – ähnlich wie Inseln im Meer. Die Gebiete in mittleren Höhenlagen sind dagegen stark miteinander verbunden. Je grösser und je vernetzter ein Lebensraum ist, desto höher ist die Biodiversität, während in isolierten Gebieten nur wenige Arten anzutreffen sind. Die Forscher nahmen daher an, dass die Topografie selbst eine Schlüsselrolle in der Regulierung einnimmt, wie sich der Artenreichtum mit der Höhenlage verändert.
Die Biodiversität wird häufig auf der Basis von idealisierten kegelförmigen Bergen untersucht, bei denen man davon ausgeht, dass in vergleichbaren Höhenlagen auch ähnliche Lebensräume zu finden sind. In diesen Modellen werden die Lebensräume mit zunehmender Höhe immer kleiner. Man geht davon aus, dass die Biodiversität am Fuss des Kegels am grössten ist und nach oben hin laufend abnimmt.
Anstatt die Gebirgslandschaft auf eine perfekte Kegelform zu vereinfachten, wollte das Forschungsteam die Landschaft in ihrer vollen Komplexität berücksichtigen. Um ihre Annahme zu überprüfen, dass die Landschaftsstruktur selbst die Biodiversitätsmuster beeinflussen, haben die Wissenschaftler in einer Computersimulation zahlreiche virtuelle Arten in einer Gebirgslandschaft ausgesetzt. Jeder virtuellen Art wurde eine für ihre Verbreitung optimale Höhenlage zugewiesen und diese wurden einheitlich auf alle berücksichtigten Lagen verteilt. Dann liessen die Forschenden die virtuellen Arten um Lebensräume in den Gebieten konkurrieren, die basierend auf realen Landschaften modelliert wurden. Die Simulationen haben die Annahme bestätigt: Die in der Natur zu beobachtenden Biodiversitätsmuster lassen sich allein schon durch die jeweilige Topografie erklären. Andere Faktoren wie Temperatur, Produktivität etc. spielen ebenfalls eine wichtige Rolle, sie kommen einfach zusätzlich zum Effekt der Landschaftsstruktur zum Tragen.
Angesichts einer immer wärmer werdenden Welt sind diese Ergebnisse von spezieller Relevanz. Nur wenn der Zusammenhang zwischen Höhenlage und Biodiversität bekannt ist, kann man die räumliche Neuverteilung der Arten infolge des Klimawandels vorhersagen. Steigen die Temperaturen, verschieben sich die Lebensräume von Tier- und Pflanzenarten in höhere Lagen. Eine bestimmte ökologische Gemeinschaft findet dort hinsichtlich Verfügbarkeit und Vernetzung ihres Lebensraums ganz andere topografische Gegebenheiten vor. Die Ergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, diese Faktoren bei der Prognose künftiger Veränderungen zu berücksichtigen.
Quelle: EAWAG
Keywords:
Gebirge, Vernetzung, Makroökologie, Topografie
Art der Publikation:
Fachpublikation
Literatur:
Bertuzzo E. et al. (2016): Geomorphic controls on elevational gradients of species richness. Proceedings of the National Academy of Sciences 113, 7: 1737-1742
http://www.pnas.org/content/113/7/1737.abstract
Kontaktadresse:
Prof. Dr. Florian Altermatt
Eawag
Überlandstrasse 133
CH-8600 Dübendorf
florian.altermatt@eawag.ch
Tel: +41 (0)58 765 5592
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