1.9.2015: Forschung international
Insektenvielfalt stabilisiert die Ökosysteme
Une faune entomologique diversifiée stabilise les écosystèmes
Sara Kühsel und Nico Blüthgen
Die Resilienz von Ökosystemen hängt von der Vielfalt der Arten und deren Reaktionen auf veränderte Umweltbedingungen ab. Forscher haben diesen Zusammenhang am Beispiel von Bestäubergemeinschaften in Wiesen und Weiden nachgewiesen. Sie konnten zeigen, dass die Diversität der Bestäuberreaktionen auf Veränderungen der Witterungsbedingungen zu einer höheren Resilienz von artenreiche Gemeinschaften blütenbesuchender Insekten beiträgt – und zwar unabhängig von der Intensität der Landnutzung. Die Temperaturtoleranz der Insektengemeinschaften stieg mit der Intensivierung der Landnutzung –hauptsächlich weil ubiquitäre Fliegenarten den Verlust von spezialisierten Bestäubern kompensierten.
La résilience des écosystèmes dépend de la diversité des espèces et de leurs réactions aux changements environnementaux. Des chercheurs ont confirmé cette relation à l’aide de communautés de pollinisateurs dans des prairies et pâturages. Ils ont pu montrer que la diversité des réactions des pollinisateurs par rapport aux variations des conditions météorologiques apporte une plus grande résilience et ceci indépendamment de l’intensité de l’utilisation des terres. La tolérance à la température des communautés d’insectes a augmenté avec l’intensification de l’utilisation des terres, principalement parce que des pollinisateurs spécialisés ont été remplacés par des mouches plus ubiquistes.
Die meisten Ökosysteme beherbergen eine Vielzahl unterschiedlicher Arten, die teilweise überlappende Aufgaben erfüllen. Arten mit gleicher Funktion im selben System werden auch als funktionell «redundant» bezeichnet. Die Studie belegt: Redundanz bedeutet dabei nicht, dass diese Arten «überflüssig» oder «verzichtbar» sind. In einer einzigen Wiese können beispielsweise Dutzende von Fliegen, Bienen und Schmetterlingsarten zur Bestäubung von Blütenpflanzen beitragen. In der Theorie sollte diese hohe Diversität teilweise redundanter Arten zu einer besseren, stabileren Funktion der Ökosysteme beitragen.
Den Forschenden ist es gelungen, diese theoretischen Modelle zu präzisieren und im Feld zu überprüfen. Dafür erhoben sie erstmals die Temperaturpräferenz von über 500 blütenbesuchenden Insektenarten. Auf 40 Grünlandflächen sammelten sie 511 Insektenarten während ihrer Blütenbesuche an 104 Pflanzenarten, identifiziertn sie mit Hilfe von Experten und ordneten sie gemessenen Temperaturen zu. Für jede Insektenart wurde anhand der Beobachtungen ein Temperaturprofil erstellt. Viele Fliegenarten sind zum Beispiel eher an kühleren Sommertagen an den Blüten aktiv, einige Bienen hingegen haben Vorlieben für wärmere Bedingungen. Die Arten, die auf einer Wiese oder Weide vorkommen, ergänzen sich, so dass die Artengemeinschaft insgesamt bei einem viel breiteren Spektrum an Wetterbedingungen aktiv ist als jede einzelne der Arten.
Die Forscherinnen und Forscher untersuchten zudem, wie sich unterschiedliche Bewirtschaftung der Wiesen und Weisen auswirkt. Auf Flächen, die intensiv gedüngt, gemäht oder beweidet werden, haben sie eine ähnlich hohe Diversität von Insekten festgestellt wie in wenig intensiv bewirtschaftete Wiesen und Weiden. Interessant war nun, dass die Temperaturbereiche, in welcher die Bestäuber aktiv waren, mit zunehmender Intensivierung der Landnutzung immer unterschiedlicher wurden; gleichzeitig stieg die Temperatur-Toleranz der Insekten an. Dieser Effekt wurde vor allem durch die Vielzahl von ubiquitären Fliegenarten mit ihren breiteren Temperatur-Nischen verursacht. Sie profitierten von der intensiveren Landnutzung und kompensierten damit den Verlust von anderen, spezialisierteren Taxa.
Eine hohe Vielfalt von Arten und deren Reaktionen sorgt also für gleichmässigere Blütenbesuche und kontinuierliche Bestäubung – auch unter variablen oder widrigen Umweltbedingungen. Ein derartiger stabilisierender Effekt gewinnt angesichts der Klimaerwärmung zunehmend an Bedeutung.
Quelle: Technische Universität Darmstadt
Keywords:
Resilienz; Bestäuber; Insekten; Umweltveränderungen; Wiesen und Weiden
Literatur:
Kühsel S., Blüthgen N. (2015): High diversity stabilizes the thermal resilience of pollinator communities in intensively managed grasslands. Nature Communications 6: 7989. Doi: 10.1038/ncomms8989
http://www.bio.tu-darmstadt.de/ag/professuren/bluethgen/Bluethgen.en.jsp
http://www.biodiversity-exploratories.de
http://www.nature.com/ncomms/2015/150810/ncomms8989/abs/ncomms8989.html
Kontaktadresse:
Prof. Dr. Nico Blüthgen
Technische Universität Darmstadt
Biologie
Schnittspahnstraße 3
D-64287 Darmstadt
bluethgen@bio.tu-darmstadt.de
Tel: +49 (0)6151 16-75411
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