22.5.2015: Forschung international

Vielfalt verhindert Resistenzen

La diversité diminue les résistances



Matthias Liess und Jeremias Becker

Unerwünschte Insekten entwickeln in rasantem Tempo Resistenzen gegen verschiedene Wirkstoffe von Bekämpfungsmitteln. Weltweit sind mittlerweile mehr als 500 Insektenarten bekannt, die 300 unterschiedlichen Insektiziden widerstehen können. In artenreichen, naturnahen Lebensräumen werden die Schädlinge aber nicht so schnell resistent gegen Pestizide wie auf den behandelten Kulturflächen. Das Wissen, wieso dieser Unterschied entsteht, wäre nicht nur für die Landwirtschaft (Verhinderung von Resistenzen), sondern auch für den Naturschutz (geringerer Pestizideinsatz) interessant.

Certains insectes non désirés développent à une vitesse record des résistances envers les agents actifs de pesticides. Dans le monde, il existe entretemps plus de 500 espèces d’insectes résistantes envers 300 insecticides. Dans les milieux riches en espèces, proche de l'état naturel, les organismes nuisibles ne deviennent pas aussi vite résistants que sur les surfaces cultivées traitées. Les raisons de cette différence seraient utiles et intéressantes non seulement pour l’agriculture (empêcher les résistances), mais aussi pour la protection de la nature (diminuer l’utilisation de pesticides).


Auf eine Massenvermehrung von Schädlingen folgt eine intensive Rivalität zwischen den Individuen. Dieser Konkurrenzkampf könnte die Entwicklung von Resistenzen fördern. Denn Pestizide töten nicht nur einen Teil der Insekten, sie schwächen auch die Überlebenden. Das gilt allerdings nicht für resistente Tiere, die unter Pestizideinfluss gegenüber ihren geschwächten Artgenossen im Vorteil sind.
In vielfältigen Lebensgemeinschaften begrenzen Räuber und konkurrierende Arten die Vermehrung der Schädlinge und damit die Rivalität innerhalb der Schädlingsart. Davon profitieren die nicht-resistenten Tiere, denn die resistenten Tiere können ihren Vorteil nicht so gut ausspielen. Die Forscher vermuten, dass Schädlinge auf behandelten Kulturflächen dadurch immer unempfindlicher gegen Pestizide werden, ihre Artgenossen in den benachbarten, artenreichen Lebensräumen aber nicht.
Diese Theorie haben Forscher in Laborversuchen mit der Mückenart Culex quinquefasciatus getestet. Zu Beginn des Versuchs schwammen in den Becken der Forscher jeweils 400 Larven. Bei 75% enthielt das Erbgut ein Pestizid-Resistenzgen. Das restliche Viertel war nicht resistent. Die einzelnen Populationen wurden mit dem Insektizid Chlorpyrifos behandelt. Vier Populationen mussten ihr Becken zusätzlich mit Wasserflöhen teilen (Konkurrenz). Bei vier weiteren wurden zweimal pro Woche 10 bis 20% der Larven herausgefangen (Fressfeinde). In den letzten vier Populationen durften sich die Insekten ungestört vermehren. Über sechs Mückengenerationen wurde beobachtet, wie sich die Häufigkeit des Resistenzgens veränderte.
Den schnellsten Wandel erlebten dabei die Populationen ohne feindliche Arten. Bei ihnen stieg der Anteil der Mücken mit einem Resistenzgen im Laufe des Versuchs von 75 auf 95% an. In den Populationen mit der Konkurrenz der Wasserflöhe oder den Fressfeinden (larvenfangende Forscher) breitete sich das Resistenz-Gen hingegen deutlich langsamer aus. Befand sich kein Pestizid im Wasser, sorgten die gleichen Mechanismen dafür, dass die Populationen ohne feindliche Arten ihr Resistenzgen wieder verloren, da sie keinen Vorteil gegenüber ihren Artgenossen mehr besassen.
Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass diese Effekte ein grundlegendes Prinzip darstellen. Möglicherweise lassen sich daraus neue Ansätze für die Schädlingsbekämpfung ableiten. So wird die Erhöhung der Biodiversität mit Konkurrenten und Räubern der Schadorganismen eine Resistenzbildung verringern.

Quelle: Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)


Keywords:
Pestizide, Resistenz, Ökosystemleistungen, Populationsökologie, Konkurrenz

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
Becker J.M., Liess M. (2015) : Biotic interactions govern genetic adaptation to toxicants. Proc. R. Soc. B 282, DOI: 10.1098/rspb.2015.0071.
http://dx.doi.org/10.1098/rspb.2015.0071

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Kontaktadresse:
Prof. Dr. Matthias Liess oder Jeremias Becker
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Department System-Ökotoxikologie
Permoserstrasse 15
D-04318 Leipzig

Matthias.liess@ufz.de
Tel: +49(341) 235 1578


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