30.4.2004: Forschung CH
Seltene Baumarten: Hohe genetische Vielfalt auch in kleinen Beständen der Wildbirne
Raphael Häner
Die Wildbirne ist eine der seltensten Baumarten in der Schweiz und zeichnet sich durch ein Fortpflanzungssystem aus, das Selbstbefruchtung verhindert, aber auch die Anzahl der verfügbaren Fortpflanzungspartner einschränkt. Eine populationsgenetische Untersuchung konnte nun zeigen, dass in grossen und in kleinen Populationen eine hohe genetische Vielfalt vorhanden ist und Inzucht in kleinen Beständen nicht verstärkt auftritt. Massnahmen zur Förderung dieser seltenen Waldbaumart sollten darauf hin zielen, dass die Vielfalt der für das Selbstinkompatibilitäts-System verantwortlichen Genorte erhalten bleibt.
Die Wildbirne Pyrus pyraster ist eine der seltensten Baumarten der Schweiz. Die Art besitzt ein effektives Selbstinkompatibilitäts-System. Die vorliegende Studie un-ter-suchte den Zusammenhang zwischen Populationsgrösse und genetischer Vari-ation in Verbindung mit dem oben erwähnten Selbstinkompatibilitäts-System. Mittels molekular-genetischer Methoden wurden sechs Mikrosatelliten an 299 Individuen aus 13 Wildbirnen-popu-lationen verschiedener Grösse (N=8–87) des Schweizer Juras analysiert. Die Untersuchung zeigte, dass weder die genetische Diversität (Anzahl Allele, genetische Vielfalt) einer Popu-la-tion noch die genetische Drift (effektive Anzahl Allele, Abweichung vom mittleren Differenzierungsgrad) mit der Populationsgrösse korrelierten. Es kann somit nicht von der aktuellen Populationsgrösse auf die genetische Diversität einer Popu-la-tion geschlossen werden. Weiter konnte gezeigt werden, dass in kleinen Populationen nicht stärkere Inzucht auftritt als in grossen Popu-la-tionen. Die Untersuchung konnte jedoch nachweisen, dass es in Populationen mit einer geringen Anzahl Allele zu erheblicher Inzucht kommen kann. Dies lässt ver-mu-ten, dass bei der Wildbirne die Anzahl der Selbstinkompatibilitäts-Allele und nicht die Populationsgrösse der entscheidende Faktor für Inzucht in einer Population ist. Eine Ent-kopp-lung des theoretisch zu erwartenden positiven Zusammenhangs zwischen genetischer Diversität und Populationsgrösse kann insbesondere durch historische Prozesse (z.B. ausgeprägte Populationsdynamik), aber auch durch das Selbstinkombatibilitäts-Sys-tem der Wildbirne erklärt werden. Letzteres mag selbst in kleinen Populationen eine hohe neutrale genetische Diversität aufrechterhalten. Die genetische Differenzierung zwischen Populationen nimmt mit steigender geo-gra-phischer Distanz zu. Daraus kann geschlossen werden, dass die Po-pu-la-tionen der Wildbirne in der Schweiz einem sich kontinuierlich verändernden Genpool an-gehören. Aus genetischer Sicht ist daher der Schutz spezifischer Genpools der Wild-birne in der Schweiz, z.B. in sogenannten Schwerpunktregionen, nicht nötig. Einige Schlussfolgerungen für die Praxis sind: (1) Auch kleine Populationen der Wildbirne sind genetisch variabel und somit erhaltenswert; (2) der Anzahl po-ten-ziel-ler Paarungspartner ist vermehrt Beachtung zu schenken (S-Genotypen), da in Popu-la-tionen mit geringer allelischer Vielfalt erhöhte Inzucht auftrat; (3) die Natur-verjün-gung sollte durch geeignete forstliche Massnahmen gefördert werden.
Keywords:
Wildbirne, Populationsgrösse, genetische Diversität, Inzucht, genetische Drift
Art der Publikation:
Diplomarbeit
Literatur:
Häner R. (2004): Populationsgrösse und genetische Diversität der selbstinkompatiblen, seltenen Baumart Pyrus pyraster (L.) Burgsd. in der Schweiz. WSL/ETH Zürich, 49 S.
Kontaktadresse:
Rolf Holderegger/Susan E. Hoebee, Eidg. Forschungsanstalt WSL, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf
rolf.holderegger@wsl.ch
Tel: +41 (0)1 739 25 27
Fax: +41 (0)1 739 22 15
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