30.4.2004: Forschung CH
Genetische Vielfalt: Wer ist der Vater der kleinen Elsbeere?
Urs Arnold, Christoph Düggelin
Zur Förderung seltener Baumarten in der Schweiz verlässt sich die Forstwirtschaft nicht nur auf Naturverjüngung, sondern es werden auch gezielt Jungpflanzen aufgezogen und ausgepflanzt. Ein wichtiges Kriterium bei der Samenbeerntung ist deshalb, die vorhandene genetische Vielfalt eines ausgewählten Bestandes möglichst repräsentativ zu erfassen. In zwei Diplomarbeiten wurden exemplarisch Nachkommenschaftsanalysen einzelner Mutterbäume in zwei unterschiedlich grossen Elsbeer-Beständen durchgeführt. Die molekulargenetische Untersuchung wies vielfältige Vaterschaften nach, die sich zudem zwischen den zwei Jahren deutlich unterschieden.
Kenntnisse über das Reproduktionssystem sind eine wichtige Grundlage für den Schutz von Arten, da dieses viele genetische und demographische Prozesse innerhalb von Populationen bestimmt. Über das Paarungssystem insektenbestäubter, seltener oder zerstreut vorkommender Baumarten der gemässigten Zone ist bis heute wenig bekannt. In zwei aufeinanderfolgenden Jahren untersuchten wir anhand zweier unterschiedlich grosser und räumlich verschieden stark isolierter Elsbeerbeständen (Sorbus torminalis) der Nordostschweiz folgende Fragen: (1) Wie ist der zeitliche Verlauf der Blühphänologie in Elsbeer-Populationen? (2) Lassen sich Zusammenhänge zwischen Blühphänologie, Fruchtansatz, Samenansatz und Baumgrösse feststellen? (3) Welche und wie viele Väter beteiligen sich an der Nachkommenschaft von einzelnen Mutterbäumen, und lassen sich Hinweise für ein Selbstinkompatibilitätssystem bei der Elsbeere finden? (4) Welche genetische Variation weisen die beiden unterschiedlich grossen Bestände auf, und gibt es Hinweise bezüglich genetischer Verarmung im kleinen isolierten Bestand?
Baumgrösse, Blühphänologie sowie Frucht- und Samenansatz ergaben, dass die Blühperioden der Bäume in beiden Beständen weitgehend synchron verlaufen und somit Paarung zwischen sämtlichen Bäumen möglich ist. Weiter wurde festgestellt, dass vor allem gut gestellte Bäume blühen und fruktifizieren. Einerseits wurde ein positiver Zusammenhang zwischen Blühen bzw. Fruchten und der Baumgrösse festgestellt, hingegen war die Anzahl potenziell fertiler Samen pro Frucht unabhängig von der Baumgrösse. Die mittels fünf nukleärer Mikrosatelliten durchgeführte Nachkommenschaftsuntersuchung an ausgewählten Mutterbäumen deutete auf ein Selbstinkompatibilitätssystem bei der Elsbeere hin. Die einzelnen Elsbeermutterbäume paarten sich mit vielen verschiedenen potenziellen Vätern, die oft weit entfernt standen (~500m), was eine genetisch diverse Nachkommenschaft ermöglicht. Allerdings variieren die Paarungspartner eines Mutterbaumes in den zwei Jahren recht stark. Die Untersuchung der genetischen Variation ergab gewisse Hinweise auf genetische Verarmung im kleinen, stark isolierten Elsbeerenbestand, vermutlich als Folge genetischer Drift. Aufgrund der geschilderten Resultate wurden einige Empfehlungen an die forstliche Praxis formuliert, so etwa hinsichtlich Samenernte oder Anlage von Erhaltungsplantagen.
Keywords:
Genetische Diversität, Genfluss, Nachkommensanalyse, molekulare Marker, sexuelle Fortpflanzung
Art der Publikation:
Diplomarbeit
Literatur:
Arnold U. (2002): Das Paarungssystem der Elsbeere [Sorbus torminalis (L.) Crantz] in der Schweiz. Diplomarbeit, WSL/ETH Zürich, 58 S.
Düggelin C. (2003): Untersuchungen zum Paarungssystem der Elsbeere (Sorbus torminalis (L.) Crantz) und seiner zeitlichen Dynamik in zwei verschieden grossen Samenernte-Bestände der Nordostschweiz. Diplomarbeit, WSL/ETH Zürich, 73 S.
Kontaktadresse:
Rolf Holderegger/Felix Gugerli, Eidg. Forschungsanstalt WSL, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf
rolf.holderegger@wsl.ch
Tel: +41 (0) 1 739 25 27
Fax: +41 (0) 1739 22 15
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