17.6.2014: Forschung international

EU-Agrarreform wird Artenvielfalt nicht ausreichend schützen

La réforme agraire de l’UE ne protégera pas suffisamment la biodiversité



Guy Pe’er et al.

Die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union wird den Schutz der biologischen Vielfalt nicht verbessern, sondern sogar weiter verschlechtern. Grund dafür sind insbesondere die zahlreichen Ausnahmeregelungen. Zu diesem Ergebnis kommt eine internationale Studie mit Beteiligung der Universität Bern.

La réforme de la Politique Agricole Commune (PAC) de l’Union européenne ne devrait pas améliorer la protection de la biodiversité, mais devrait même l’aggraver. ceci est principalement du aux nombreuses dérogations. Une étude internationale avec la participation de l’Université de Berne aboutit à ce résultat.


Die Europäische Union hat zwar verschiedenste Gesetze und Richtlinien für den Habitat-, Vogel- oder Wasserschutz erlassen, aber keine davon hat so grossen Einfluss auf die Ökosysteme wie die «Gemeinsame Agrarpolitik» (GAP). Im Dezember 2013 verabschiedete die EU deren Reform, die für die Jahre 2014 bis 2020 gilt. Mit einem Gesamtbudget von rund 360 Milliarden Euro wirkt sich die GAP auf rund die Hälfte der Landfläche der EU aus und damit auf unzählige Arten, die sich im Laufe der Jahrhunderte an diese Kulturlandschaften angepasst haben.
Nun kommt eine international Forschergruppe mit Schweizer Beteiligung zum Schluss, dass die Reform dieses Ziel verfehlen wird. Die Forschenden haben dazu die Änderungen in der Gesetzgebung analysiert sowie mit Daten des Statistischen Amtes der Europäischen Union (Eurostat) verglichen, um herauszufinden, was die reformierte Agrarpolitik tatsächlich bewirken wird.
Die Studie zieht ein ernüchterndes Fazit: Die neue Reform der GAP hat wenig Chancen, den Verlust der Artenvielfalt aufzuhalten und wird somit das Ziel einer «grüneren Landwirtschaft» («Greening») verfehlen. Ursache dafür sind die vielen Ausnahmeregeln: So müssen Betriebe mit einer Fläche unter 10 Hektar keine Fruchtfolgen anbauen (und nicht bereits Betriebe kleiner als 3 Hektar wie ursprünglich vorgeschlagen). Damit entfällt für rund 80 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe diese Pflicht. Ähnlich abgeschwächt sind die GAP-Ziele für den Erhalt von Dauergrünland und für die Ausweitung ökologischer Vorrangflächen. Etwa die Hälfte der landwirtschaftlich genutzten Fläche ist davon ausgenommen.
Die von der EU vorgegebenen Mindestziele werden nicht ausreichen, aber die Mitgliedstaaten haben selbst 2014 immer noch genügend Spielraum, um mehr zu tun, als in der Reform gefordert ist. Sie empfehlen den EU-Mitgliedsstaaten mehrere Massnahmen. Dazu gehören unter anderem die Unterstützung von kleinen, nachhaltig wirtschaftenden Landwirtschaftsbetrieben aus dem Budget der sogenannten zweiten Säule der GAP, die zur Förderung ländlicher Räume und für Agrarumweltmassnahmen gedacht ist. Ausserdem schlagen die Forschenden vor, in den ökologischen Vorrangflächen nur noch Kulturen und Bewirtschaftungsmethoden zu fördern, die nachweislich positive Effekte auf die Artenvielfalt haben. Ebenfalls wichtig sei es, den Umbruch von Dauergrünland zu verhindern.
Dabei müssten laut den Forschenden die Vorteile einer intensiven Landwirtschaft – wie kurzfristige ökonomische Gewinne für die Bauern und die Nahrungsmittelindustrie – gegen ihre Nachteile aufgewogen werden: Intensive Landwirtschaft bedeutet auch einen Verlust für das Allgemeinwohl – etwa durch fehlende Klimastabilität, beeinträchtigte Ökosystemleistungen wie Bestäubung durch Insekten, monotone Landschaften, weniger Biodiversität mit damit verbundenen Umwelt-, Gesundheits- und gesellschaftlichen Kosten, die in der Agrarwirtschaft der EU jedoch nicht berücksichtigt werden.

Quelle: Universität Bern


Keywords:
Landwirtschaft, Europäische Union EU, Gemeinsamen Agrarpolitik GAP, Ökosystemleistungen, ökologische Vorrangflächen

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
G. Pe’er et al. (2014): EU agricultural reform fails on biodiversity. SCIENCE , 6 June 2014, Vol. 344, Issue 6188. DOI: 10.1126/science.1253425. http://dx.doi.org/10.1126/science.1253425
http://dx.doi.org/10.1126/science.1253425

Kontaktadresse:
Prof. Raphaël Arlettaz,
Institut für Ökologie und Evolution
Universität Bern
Zurzeit im Forschungsurlaub in Argentinien, antwortet per Mail

raphael.arlettaz@iee.unibe.ch


Zurück zur Liste