Jahresbericht 2023 für

SESN: Engadiner Naturforschende Gesellschaft


Präsident/Präsidentin: David Jenny

Von: David Jenny, jenny.d@compunet.ch

Zusammenfassung


Im Vereinsjahr 2023 wurden insgesamt gut bis sehr gut besuchte 6 Referate, 4 Exkursionen und eine Podiumsdiskussion durchgeführt. Das Schwergewicht der Inhalte lag auch in diesem Jahr auf tier- und pflanzenkundlichen Veranstaltungen und dem Thema Biodiversität, sowie geologischen und archäologischen Themen mit naturkundlichem und naturwissenschaftlichem Fokus und regionalem Bezug.      

Den Auftakt zum Vereinsjahr 2023 machte ein legendärer Vortrag über die Rückkehr des Wolfs nach Graubünden von Arno Puorger, dem Grossraubtierbeauftragten des Amts für Jagd und Fischerei Graubünden am 16. Januar 2023. Er sprach er über die Erwartungen und Erfahrungen zum Wolf vor rekordmässig vielen Gästen. Trotz der kontroversen oft emotional aufgeladenen Thematik blieb die anschliessende Diskussion sachlich und faktenbasiert, wohl dank der kompetenten und hervorragenden Vermittlung durch den Referenten. Etwas weniger gut besucht war der Vortrag über Suffizienz und Mobilität von Dr. des. Ann-Kathrin Hess am 20. Januar. Das wichtige Thema beleuchtete Möglichkeiten und Wege, von einer uferlosen Mobilitätsentwickung mit entsprechenden Umweltbelastungen, wegzukommen. Am 2. Februar referierte Dr. Andreas Linsbauer über den Gletscherschwund. Fast schon erschreckend war das Ausmass der Gletscherschmelze im vergangenen Jahr, welche alle bisherigen Rekorde brach.                                           

Anlässlich der Jahresversammlung vom 22. März 2023 referierte Wildhüter Thomas Wehrli im voll besetzten Auditorium über die Rückkehr des Fischotters ins Engadin. Die vor wenigen Jahren erfolgte Entdeckung und Dokumentation der ersten Fischotter im Oberengadin gelang Wehrli mittels Einsatz von Fotofallen. Am 8. Juni stellte Dr. Christian Rixen vom SLF Davos ein Jahrhundertprojekt vor: die Flora Raetica, eine von 1932 bis 2032 dauernde Vegetationskartierung Graubündens unter Mitwirkung vieler freiwilliger Mitarbeiter. Zusammen mit der NGGraubünden erfolgte am 25. Juni die erste Exkursion. Es ging um Reptilien und Greifvögel, welche von Hans Schmocker (bigra) und Dr. David Jenny bei Pontresina anschaulich thematisiert wurden. Wegen grosser Hitze zeigten sich allerdings keine Kreuzottern, dafür half Hans Schmocker mit einer mitgebrachten Schlange aus. Bei einer weiteren Exkursion am 15. Juli ging es um die Silberminen im Val S-charl. René Wäger von den Minieras Schmelzra führte die Besuchergruppe in die alten Minen und durch das Museum Schmelzra. Im Kriechgang und mit Stirnlampen wurden die engen Tunnelgänge erkundet, welche vor 300 Jahren von Hand in den Fels gehauen wurden. In Kooperation mit Pro Natura Graubünden entstand eine weitere Exkursion am 2. August. Es führten Dr. Angelika Abderhalden und Daniel Scherl (PNG) zusammen mit einer Reihe von Archäologen bei der Burg Tschanüff und Mottata. Dabei konnte das Tier des Jahres, die blauflügelige Ödlandschrecke, bewundert werden. Die Trockenhänge des Burghügels gehören zu den seltenen Standorten dieser farbenprächtigen Heuschreckenart. Im zweiten Teil wurde die archäologische Fundstätte bei Motatta besichtigt. Die Siedlungsspuren aus der Bronzezeit werden heute mit modernen Methoden gesucht und sichtbar gemacht. Eine Herbstexkursion wurde am 10. September bei Motta Naluns im Unterengadin durchgeführt. Bei strahlendem Wetter schaute die Geologin Dr. Anna Rauch mit einer grossen Besuchergruppe durch das Unterengadiner Fenster und auf die Gesteinsformationen inklusive deren Entstehungsprozesse. Dabei zeigten sich eine ganze Reihe geologischer Besonderheiten, wozu die als Mélange bezeichnete Mischung aus zahlreichen Gesteinsarten auf kleinem Raum gehört. Dr. Andreas Müller referierte am 26. September über die zauberhafte Welt der Wildbienen. Diese (zu) wenig beachtete Artengruppe ist stark gefährdet, obwohl ihr mit einfachen Mitteln zu helfen wäre. Müller zeigte auf, wie. Zum Abschluss des Jahres stand am 9. November einmal mehr das Wissenschaftscafé in Zuoz an, das in Zusammenarbeit mit der Academia Raetica organisiert wurde. Diesmal ging es ums Thema Biodiversität im Engadin. Im Podium waren Dr. Ruedi Haller (Direktor Nationalpark), Dr. Marylaure de La Harpe vom ANU, Dr. Claudia Müller (Vogelwarte Sempach) und Dr. Angelika Abderhalden beteiligt. Bilanzierend wurde festgehalten, dass im Engadin besonders wertvolle Naturwerte auch besonderen Schutz und Förderung verdienen und dass im Bereich Landwirtschaft und Gewässer ein hoher Handlungsbedarf besteht. Zudem wurde festgehalten, dass die brisante Thematik des Biodiversitätsverlusts, der schnell voranschreitet, nicht die öffentliche Aufmerksamkeit geniesst, welche sie verdient. 



Tagungen / Kurse


9.11.2023: Biodiversität im Engadin – ökologische Perspektiven in einem inneralpinen Hochtal: Dr. Ruedi Haller (Direktor Schweizerischer Nationalpark), Dr. Angelika Abderhalden (Geschäftsführerin UNESCO Biosphärenreservat), Dr. Claudia Müller (Schweizerische Vogelwarte Sempach), Dr. Marylaure de La Harpe (ANU, Biodiversitäts-monitoring). Moderation: Dr. David Jenny (Präsident SESN). Podiumsdiskussion.



Dialog mit der Gesellschaft


16.01.2023: Der Wolf in Graubünden – von Erwartungen und Erfahrungen. Arno Puorger, Amt für Jagd und Fischerei Graubünden, Akademischer Mitarbeiter Grossraubtiere.

 

20.01.2023: Suffizienz und Mobilität – Ergebnisse aus der Forschung zur Autolosigkeit und Lebenszufriedenheit. Ann-Kathrin Hess, Dr. des., Fachstelle Klima des Kantons Basel-Stadt.

 

2.02.2023: Gletscher als Fieberthermometer des Klimawandels. Dr. Andreas Linsbauer, Glaziologe, Universitäten Zürich und Fribourg, Schweizerisches Gletschermessnetz GLAMOS.

 

22.03.2023: Die Rückkehr des Fischotters ins Engadin. Thomas Wehrli, Wildhüter Pontresina.

 

8.06.2023: Flora Raetica – ein Jahrhundertprojekt: Die Flora von Graubünden von 1932 bis 2032. Dr. Christian Rixen (SLF Davos). 

 

25.06.2023: Greifvögeln und Reptilien auf der Spur. David Jenny (Stiftung Pro Bartgeier), Hans Schmocker (karch Graubünden). Exkursion. 

15.07.2023: Die Silberminen vom Val S-charl. René Wäger (Minieras Schmelzra S-charl). Exkursion. 

 

2.08.2023: Auf der Suche nach dem Tier des Jahres* – mit archäologischem Exkurs. Angelika Aderhalden (Landschfatsökologin), Katja Kothieringer (Uni Bamberg, Geophysik), Karsten Lambers (Uni Leiden, Archäologie), Philippe della Casa (Uni Zürich, Prähistorische Archäologie) und Daniel Scherl (Pro Natura Graubünden). Exkursion. *Blauflügelige Ödlandschrecke

 

10.09.2023: Blick durch das Unterengadiner Fenster – vom Bündnerschiefer bis zu den Engadiner Dolomiten. Dr. Anna Rauch (Geologin, Sent). Exkursion.

 

26.09.2023: Wildbienen – faszinierend, unersetzlich, gefährdet. Dr. Andreas Müller (Entomologe, Wildbienen-Spezialist).