Jahresbericht 2019 für

KTVE: Kommission für Tierversuchsethik


Präsident/Präsidentin: Prof. Hanno Würbel

Von: Sibylle Ackermann, Geschäftsführerin KTVE, s.ackermann@samw.ch

Zusammenfassung


Die Kommission für Tierversuchsethik (KTVE) ist eine gemeinsame Kommission der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) und der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT). Die Kommission ist als Expertise- und Beratungsorgan im Bereich «Tierversuche» angelegt und besteht aus Fachleuten aus Forschung (Durchführende von Tierversuchen), Vollzug, Tierschutz und Ethik.

Im Jahr 2019 wurde die Expertise der KTVE mit zwei neuen Mitgliedern breiter abgestützt: Dr. Gérald Hess, Institut de géographie et durabilité, Université de Lausanne, ist Jurist und Philosoph und deckt den vakanten Bereich «Tierrecht» ab. Prof. Michael Schmid, Department of Neurosciences and Movement Sciences, Université de Fribourg stärkt die Kompetenzen der KTVE unter anderem im Bereich Primatenforschung.

Die Kommission wird präsidiert von Prof. Hanno Würbel, Professor für Tierschutz an der Vetsuisse-Fakultät Bern. Im Jahr 2019 fanden vier Sitzungen statt, dazu kamen Arbeitstreffen von Untergruppen.

Zu den Highlights des Jahres 2019 gehören Publikationen und wissenschaftspolitische Aktivitäten, verschiedene Vernetzungstreffen, die Konkretisierung des Aufbaus eines Swiss Transparency Agreement on Animal Research (STAAR), sowie die Vorarbeiten für zwei Veranstaltungen in der ersten Jahreshälfte 2020.



Publikationen


Die von der KTVE erarbeitete und publizierte Broschüre «Güterabwägung bei Tierversuchen. Wegleitung für Antragsteller» (in d/f/e) wurde im Berichtsjahr weiter verbreitet. Die KTVE analysierte Inhalt und Wirkung der Publikation in einer Evaluation: Als Change Control und zur Prüfung, ob die ForscherInnen die Wegleitung für hilfreich halten bzw. welche Verbesserungen gewünscht sind. Die Online-Umfrage war vom 22. Februar bis 31. März 2019 offen. 97 Personen haben den Fragebogen ausgefüllt. Aufgrund der Stichprobengrösse sind die Ergebnisse nicht allzu belastbar, aber als Stimmungsbild und als Hinweise darauf, wo Probleme liegen, sehr interessant. Die Ergebnisse wurden im Bulletin 4/2019 unter dem Titel «Tierversuche: Wegleitung zur Güterabwägung wird geschätzt» zusammengefasst. Vgl. samw.ch/bulletin

 

Das SAMW-Bulletin 2/2019 war dem Schwerpunkt Tierversuche gewidmet, H. Würbel verfasste den Leitartikel «Bewilligungsverfahren für Tierversuche: Strengere Kontrollen oder mehr Eigenverantwortung?». Obwohl der Einsatz von Tieren in der Forschung einen essenziellen Beitrag an die Wissenschaft leistet, hat das Vertrauen in diese Forschung in den letzten Jahren ab- und die Bürokratie zugenommen. Der Artikel thematisiert, wie diese Negativspirale gestoppt werden kann und plädiert für ein in tierschützerischer und in wissenschaftlicher Hinsicht wirksames Qualitätsmanagement an den forschenden Institutionen. Vgl. samw.ch/bulletin



Tagungen / Kurse


2019 liefen die Vorbereitungen für zwei Events, die in der ersten Jahreshälfte 2020 durchgeführt werden.

1)   Tagung «Monkey, mouse or zebrafish? Ethical and scientific considerations in choosing the model organism for animal experiments»

Die Wahl von Tiermodellen ist aus wissenschaftlicher wie tierethischer Sicht von grosser Bedeutung. Die KTVE organisiert 2020 eine Tagung mit dem Ziel, für dieses Thema zu sensibilisieren, Wissen zum Thema Tiermodelle zu vermitteln, Anhaltspunkte zu vermitteln, um ungeeignete Tiermodelle zu erkennen, die Beurteilung der Konstrukt- bzw. Modellvalidität zu erläutern und Hilfestellung zu bieten bei der Wahl des besten Tiermodells.

In den vorbereitenden Sitzungen wurden folgende an der Tagung zu behandelnde Themen herausgearbeitet: 1) wissenschaftliche und (vermeintlich) ethische Gründe für Verwendung/Nichtverwendung bestimmter Tiermodelle, 2) Probleme der ethischen Hierarchisierung, 3) Auswirkung der verwendeten Tiermodelle auf a) die Güterabwägung/Bewilligungspraxis, b) die wiss. Aussagekraft (Konstruktvalidität) und c) die Schweregrad-Einteilung.

Zielgruppe der Tagung sind neben ForscherInnen (Grundlagenforschung und angewandte/klinische Forschung) auch Behörden und Mitglieder von Kant Tierversuchskommissionen. Es wird mit über 100 Teilnehmenden gerechnet.

2)   Round Table Genehmigungsverfahren

Die KTVE wird immer wieder darüber informiert, dass rund um die Genehmigungsverfahren von Tierversuchen viel Unzufriedenheit herrscht auf beiden Seiten: Forscher empfinden die Verfahren als übermässig bürokratisch, Kommission-Mitglieder und Behördenvertreter monieren die unzureichenden Grundlagen zur Beurteilung der Güterabwägung.

Die KTVE plädiert für einen Ansatz von mehr Selbstverantwortung der Forschungsgemeinschaft mit dem Ziel eines wirksamen, gesetzeskonformen und effizienten Genehmigungsverfahren für Tierversuche. Die KTVE lädt für 2020 Stakeholder aus Forschung, Genehmigungsbehörden, kantonalen Kommissionen, Tierschutz und Ethik an einen runden Tisch zum Gespräch ein.

Im Jahr 2019 wurden vorbereitend verschiedenen bilaterale Gespräche geführt und am Programmentwurf gearbeitet.



Internationale Aktivitäten


--



Nachwuchsförderung


--



Forschungsunterstützende Informations- und Koordinationsaufgaben


--



Früherkennung


--



Ethik


Hauptaufgabe der KTVE ist die Auseinandersetzung mit ethischen Fragen im Bereich von Tierversuchen und deren Aufbereitung für die Forschergemeinschaft sowie für die Entscheidungsträger.

Anfang 2019 lancierten der Verein Forschung für Leben (FfL) und die Universität Zürich die Idee eines Swiss Transparency Agreement on Animal Research (STAAR) für die Schweiz. Dieses Agreement soll der Transparenz über die Forschung mit Tieren dienen und orientiert sich stark am Vorbild des «Concordat on Openness on Animal Research in the UK». Die KTVE hat die Idee vertieft diskutiert und zu Handen der Leitung der Akademien der Wissenschaften Schweiz festgehalten: Es ist legitim und positiv, im Bereich Tierversuche möglichst viel offenzulegen und transparent zu kommunizieren. Damit ein Agreement Mehrwert bietet, muss es verknüpft sein mit wissenschaftlich guter und ethisch verantwortungsvoller Forschung unter Einsatz von Tierversuchen. Die Grundlagen dafür sind gesetzlich vorhanden. Um glaubwürdig zu sein, muss auch über Probleme und Herausforderungen geredet werden (z.B. Reproduzierbarkeitskrise).

Die Akademien haben sich im Sommer 2019 bereit erklärt, den Aufbau von STAAR voranzutreiben, da sie vom Mehrwert von STAAR für eine wissenschaftlich fundierte und ethisch verantwortbare Forschung mit Tieren überzeugt sind. Entsprechend wurden im Herbst 2019 alle potentiellen STAAR-Unterzeichner angeschrieben und mit Unterlagen versorgt (Hintergrundinformationen, Guidance Document, Reglement, Zeitplan und Finanzbedarf, Antwortformular). Die Auswertung der Formulare und die Festlegung des weiteren Vorgehens zum Aufbau von STAAR erfolgt im Q1 2020.



Dialog mit der Gesellschaft


Im März 2019 formuliert die KTVE zu Handen der Akademien eine Stellungnahme zur eidgenössischen Volksinitiative «Ja zum Tier- und Menschenversuchsverbot» vom 18. März 2019. Darin warnt sie vor einer Annahme der Initiative, die ein Verbot von Tierversuchen und klinischen Studien mit Menschen vorsieht. Die Initiative gefährdet den wissenschaftlichen Fortschritt, die akademische Ausbildung und die medizinische Versorgung in der Schweiz erheblich. Vgl. www.samw.ch/tierversuche

Im Frühjahr 2019 engagiert sich die KTVE für die Erarbeitung eines Argumentarium im Hinblick auf die Beratung der parlamentarischen Initiative 18.491 von Maya Graf «Verbot von schwerbelastenden Tierversuchen» in der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrats (WBK-N), das die Akademien der Wissenschaften Schweiz, swissuniversities und der Schweizerische Nationalfonds zusammen veröffentlichten. Vgl. www.samw.ch/tierversuche

Der behandelten Initiative von Maya Graf wurde nicht Folge gegeben, jedoch zeigt die Debatte rund um die Initiative die Dringlichkeit einer guten Kommunikation über die Forschung mit Schweregrad 3. Der KTVE-Präsident H. Würbel und das KTVE-Mitglied B. Ledermann nahmen an der WBK-N-Sitzung als Experten teil.

 

Zur breiteren Vernetzung organisierte die KTVE am 3. Mai 2019 einen Round Table mit Vertreterinnen und Vertreter der Akademien, Swissuniversities, des Schweizerischen Nationalfonds, dem Kompetenzzentrum 3R (3RCC), Vertreter der AG Tierversuche von SUPRIO (Konferenz der Information- und Public Relations Abteilungen der Schweizer Universitäten und Hochschulen) und der Schweizerischen Gesellschaft für Versuchstierkunde. Besprochen wurden insbesondere Kommunikationsstrategien, sowie die Volks- und die parlamentarische Initiative und die Idee STAAR.

 

Um die Arbeiten der KTVE weiter bekannt zu machen fanden im Jahr 2019 Präsentationen der KTVE statt vor dem Leitungsgremium der Plattform Biologie der SCNAT, im SAMW-Senat, in der Zentralen Ethikkommission der SAMW und am SGV-Symposium am 13. Sept. 2019 unter dem Titel «Tierversuche im Dialog».

 

2019 fand zudem ein Treffen von KTVE-Vertretern mit Mitgliedern der Kantonalen Ethikkommission (KEK) Zürich statt. Die KEK ist die Ethikkommission für Forschungsfragen aus dem Humanbereich (klinische Versuche, andere Forschungsprojekte mit Personen, Forschung an menschlichen Embryonen etc.). Diskutiert wurden Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Genehmigungsverfahren für Humanforschung bzw. Tierversuche sowie Konflikte zwischen Kommissionen und Forschenden bezüglich Anforderungen, Prozessen und Dauer. Eine gemeinsame Weiterbildungsveranstaltung für Ethik- und Tierversuchskommissionsmitglieder wird 2020 durchgeführt.