8.10.2013: Forschung international

Kunstlicht und Lärm verschieben Biorhythmus von Vögeln

La lumière artificielle et le bruit décalent le rythme biologique des oiseaux



Anja Russ und Reinhard Klenke

Strassenlärm und künstliches Licht sorgen dafür, dass Vögel im Stadtzentrum am Morgen bis zu fünf Stunden früher aktiv werden als ihre Verwandten in ruhigeren Stadtvierteln. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung von über 400 Amseln in Leipzig, die im Rahmen des Forschungsverbundes «Verlust der Nacht» durchgeführt wurde. Diese Befunde zeigen, dass vom Menschen verursachte Umgebungsgeräusche und Lichtverschmutzung die natürlichen Zyklen beeinflussen und erhebliche Auswirkungen auf die Aktivitätsmuster der Stadtamseln haben.

A cause du bruit routier et de la lumière artificielle, les oiseaux du centre ville deviennent actifs le matin jusqu’à cinq heures plus tôt que leurs parents des quartiers plus tranquilles. C’est ce qu’a mis en évidence une étude de plus de 400 merles à Leipzig dans le cadre du programme de recherche «Perte de la nuit». Ces résultats montrent que les bruits environnants et la pollution lumineuse engendrée par l’homme ont une influence sur les cycles naturels et un impact considérable sur le rythme d’activité des merles citadins.


Für die Studie wählten die Forschenden die Amsel (Turdus merula) aus. Diese Vogelart war ursprünglich ein Waldvogel, hat sich jedoch seit dem frühen 19. Jahrhundert gut an die Bedingungen in Städten angepasst. Sie ist dort inzwischen weit verbreitet und durch ihren markanten Gesang leicht zu identifizieren. In den Jahren 2011 und 2012 wurde jeweils über insgesamt 15 Wochen hinweg im Frühjahr das Verhalten von Amseln in einem 215 Hektaren grossen Gebiet in Leipzig beobachtet und ausgewertet. Das Untersuchungsgebiet umfasste dabei einen drei Kilometer langen südwestlich orientierten Gradienten vom Stadtzentrum über den Clara-Zetkin-Park bis hin zum Auwald. Zur Berechnung der Lichtverteilung und Zuordnung der Lautstärke des Umgebungslärmes nutzten die Wissenschaftler offizielle Daten. Aufgrund der Strassenbeleuchtung ist es in den Grünflächen am Innenstadtring nachts wesentlich heller als am Auenwald.
Beim künstlichen Licht konnten die Forschenden besonders bei niedrigen Werten einen linearen Zusammenhang mit dem früheren Beginn des Amselgesangs finden, der aber scheinbar einen Schwellenwert erreicht. Wenn dieser überschritten wird, führt mehr Licht nicht zu noch früherem Gesang.
Zwischen den lautesten Flächen am Hauptbahnhof und den leisesten im Park liegen rund 40dB(A), das heißt es ist dort um den Faktor 10’000 ruhiger. Lärm von Autos und Straßenbahnen übertönt den Gesang der Amselmännchen, mit denen sie ihr Revier markieren und verteidigen. Die Folge: Die Tiere versuchen, auf Tageszeiten auszuweichen, in denen weniger Lärm herrscht. Dazu müssen sie mehrere Stunden vor den Menschen aktiv werden, um nicht vom Berufsverkehr am Morgen gestört zu werden. Anders lassen sich die Reviere im Stadtzentrum nicht verteidigen. Während die «Langschläfer» in den Parks mit ihrem Gesang maximal zwei Stunden vor Sonnenaufgang begannen, starteten die «Frühaufsteher» im Stadtzentrum bis zu fünf Stunden vor Sonnenaufgang.
Während Luft-, Lärm- oder Gewässerverschmutzung seit langem im öffentlichen Bewusstsein verankert sind und entsprechend wissenschaftlich untersucht werden, wächst erst langsam ein Bewusstsein für das Problem der Verschmutzung der natürlichen Dunkelheit der Nacht durch zu viel künstliches Licht und die dadurch erzeugten weitreichenden Veränderungen in Ökosystemen bis hin zur menschlichen Gesellschaft. In den vergangenen drei Jahren hat dazu der interdisziplinäre Forschungsverbund «Verlust der Nacht» unter Leitung des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) Pionierarbeitet geleistet.

Quelle: Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ)


Keywords:
Lichtverschmutzung, Lärm, Vögel, Siedlungsraum

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
Nordt A., Klenke R. (2013). Sleepless in Town – Drivers of the Temporal Shift in Dawn Song in Urban European Blackbirds. PLoS ONE 8(8): e71476.

doi:10.1371/journal.pone.0071476
http://dx.doi.org/10.1016/j.apenergy.2013.07.016


Ommo Hüppop, Reinhard Klenke und Ana Nordt (2013). Vögel und künstliches Licht
. In:
 Thomas Posch, Franz Hölker, Thomas Uhlmann, Anja Freyhoff (Hrsg.): Das Ende der Nacht. Lichtsmog: Gefahren – Perspektiven – Lösungen.
 Zweite, überarbeitete und erweiterte Auflage, September 2013. 232 Seiten, 50 Farbabb., Hardcover, WILEY-VCH, Weinheim, ISBN 978-3-527-41179-5


Kontaktadresse:
Anja Ruß (geb. Nordt), Dr. Reinhard Klenke
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
D-04318 Leipzig

anja.russ@ufz.de


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